Airlines müssen keine Entschädigung zahlen, wenn Verspätungen durch außergewöhnliche Umstände entstehen. Personalmangel bei der Gepäckabfertigung kann einen solchen Umstand darstellen, so der EuGH nun.
Herrscht am Flughafen Personalmangel und entsteht dadurch eine Verspätung, steht dem Fluggast nicht automatisch eine Entschädigung durch die Airline nach der Fluggastrechte-Verordnung (Fluggast-VO) zu. Ein solcher Personalmangel kann ggf. als sogenannter außergewöhnlicher Umstand gelten, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 16.05.2024, Az. C-405/23).
Hintergrund ist ein Fall, der am Flughafen Köln-Bonn seinen Lauf nahm. Bei einem Flug von dort aus kam es zu einer Verspätung von drei Stunden und 49 Minuten. Diese Verspätung war hauptsächlich auf einen Mangel an Personal für die Gepäckabfertigung in Köln-Bonn zurückzuführen. Mehrere Passagiere hatten ihre Ansprüche auf Schadensersatz daraufhin an Flightright abgetreten, ein Unternehmen spezialisiert auf die Durchsetzung von Flugentschädigungen. Das Unternehmen klagte gegen die betroffene Fluggesellschaft TAS und machte geltend, dass diese für die Verspätung verantwortlich sei und sie sich dabei nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen könne.
Nach der EU-Fluggastrechte-VO steht Fluggästen bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden eine pauschale Entschädigung zu. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Airline nachweisen kann, dass die Verspätung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückzuführen ist, "die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären", wie es die VO formuliert.
Personalmangel kann, muss aber kein außergewöhnlicher Umstand sein
Das mit der Klage befasste Landgericht (LG) Köln legte dem EuGH daher die Frage vor, ob ein Mangel an Flughafenpersonal ein solcher außergewöhnlicher Umstand sein könne.
Das Gericht bejaht diese Frage: Bei einem Mangel an Personal des Flughafenbetreibers bei der Gepäckabfertigung kann es sich um einen außergewöhnlichen Umstand handeln. Das stellen die Richterinnen und Richter in Luxemburg aber unter zwei Bedingungen: Ein solcher Umstand liegt demnach nur dann vor, wenn das Ereignis erstens kein Teil der normalen Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens nicht von ihr tatsächlich beherrscht werden kann. Hierbei kommt es zum Beispiel darauf an, ob die Airline Kontrolle über den Flughafenbetreiber ausüben konnte.
Ob diese beiden Voraussetzungen vorliegen, ist nun vom LG Köln zu prüfen. Sofern das LG zu dem Ergebnis kommt, es liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, muss die Airline noch beweisen, dass sie auch wirklich alles getan hat, um die Verspätung zu vermeiden. Für die Fluggäste dürfte in diesem Fall also noch einige Zeit vergehen, bis sie Gewissheit darüber haben, ob sie eine Entschädigung erhalten.
Die Frage, welche Umstände nach EU-Recht außergewöhnlich genug sind, beschäftigt die Gerichte immer wieder: Ein randalierender Fluggast erfüllt dieses Kriterium, bei einem Pilotenstreik kommt es darauf an, ob die Airline alles Zumutbare unternommen hat. Befindet sich Treibstoff auf dem Rollfeld und kann das Flugzeug deshalb nicht starten, reicht das jedoch nicht aus.
mka/LTO-Redaktion
EuGH zur Fluggastentschädigung: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54561 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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