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EuGH-Generalanwalt zu den Zeugen Jehovas: Mis­sio­nie­rung bitte nur mit Daten­schutz

01.02.2018

Notizbuch

© anettpetrich1 - stock.adobe.com

Zeugen Jehovas, die an Haustüren klopfen, um mit den Bewohnern über ihren Glauben zu reden, machen sich dabei oft auch Notizen zu persönlichen Angaben. Unterliegen diese dann europäischen Datenschutzbestimmungen?

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Die Zeugen Jehovas sind den meisten Menschen ein Begriff: Mitglieder der Religionsgemeinschaft ziehen von Tür zu Tür, klingeln und wollen mit den Bewohnern über deren Glauben reden. Dabei machen sich die Mitglieder oft auch Notizen zu den religiösen Überzeugungen oder auch den familiären Verhältnissen der jeweiligen Personen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss nun prüfen, ob sie dabei dem europäischen Datenschutzrecht verpflichtet sind. Generalanwalt Paolo Mengozzi legte am Donnerstag seine Schlussanträge vor und kam zu dem Schluss: Ja, das sind sie. (Az. C-25/17).

An den Gerichtshof herangetragen hatte die Frage das Oberste Verwaltungsgericht Finnlands. Der finnische Datenschutzbeauftragte vertritt die Auffassung, dass in den Notizen, welche sich die Mitglieder der Zeugen Jehovas im Rahmen ihrer sogenannten Tür-zu-Tür-Evangelisierung machen, eine Datenverarbeitung im Sinne der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 darstelle, für die sowohl die einzelnen evangelisierenden Mitglieder als auch die Gemeinschaft selbst verantwortlich seien.

Die Anfertigung der Notizen sei daher nur zulässig, wenn dabei die Vorgaben des Datenschutzrechts beachtet würden. Dieses stellt beispielsweise strenge Anforerungen an die Erhebung von Daten zur religiösen Überzeugung von Personen. 

Einwand der Zeugen: Nur persönliche Notizen

Unsinn, meinten die Zeugen Jehovas: Es handele sich schließlich bloß um persönliche Notizen, welche sich ihre Mitglieder im Rahmen ihrer eigenen Religionsausübung machten. Dafür sei man nicht datenschutzrechtlich verantwortlich.

Zudem würden die Daten weder von den Mitgliedern an die Gemeinschaft weitergeleitet noch sonst irgendwo an zentraler Stelle gesammelt. Die Gemeinschaft selbst führe lediglich eine Liste derjenigen Personen, die darum gebeten hätten, keine weiteren Besuche zu erhalten. 

Generalanwalt Mengozzi zeigte sich in seinen Schlussanträgen davon nicht überzeugt. Auch eine nicht automatisierte Sammlung personenbezogener Daten, wie sie von den Mitgliedern der Zeugen Jehovas durchgeführt werde, um künftige Besuche bei den betreffenden Personen vorzubereiten, könne der Richtlinie unterfallen.

Generalanwalt: Religionsgemeinschaft verantwortlich für Notizen ihrer Mitglieder

Auch eine Ausnahme nach Art. 3 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie sei nicht gegeben. Danach sind Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, "die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen" werden. Darum handele sich bei der Verkündungstätigkeit der Zeugen Jehovas allerdings nicht, so Mengozzi.

Zu guter Letzt stellte er auch fest, dass nicht nur die einzelnen Mitglieder für ihre persönlichen Notizen verantwortlich seien, sondern auch die Religionsgemeinschaft als solche, gleich, ob sie überhaupt Zugriff auf die Daten habe. Allein wenn man in der Lage sei, tatsächlich Einfluss auf die Datenerhebung auszuüben, reiche dies schon für eine datenschuzrechtliche Verantwortlichkeit der Zeugen Jehovas aus. Dafür brauche es im Zweifel nicht einmal schriftliche Anweisungen. Ob eine Einflussmöglichkeit gegeben sei, müsse das mit der Frage befasste Gericht prüfen.

mam/LTO-Redaktion

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EuGH-Generalanwalt zu den Zeugen Jehovas: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26829 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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