EuGH-Generalanwalt zum Markenschutz für "Fack Ju Göhte": Anders als die "Wan­derhure"?

02.07.2019

Der Film "Fack Ju Göhte" mit Elyas M'Barek wurde in Deutschland zum Kassenschlager, doch auf europäischer Ebene durfte sich Constantin Film den Titel nicht schützen lassen. Das verletzt die Meinungsfreiheit, so nun der EuGH-Generalanwalt.

"Fack Ju Göhte", inzwischen eine Trilogie mit einem der derzeit erfolgreichsten deutschen Schauspieler, Elyas M'Barek, hat über 21 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser gelockt und dabei mehr als 170 Millionen Euro eingespielt. Die Geschichte über den Bankräuber Zeki Müller, der auf Umwegen zum Aushilfslehrer wird und einer Klasse lustloser Teenies zum Abschluss verhelfen muss, ist inzwischen sogar als Musical adaptiert worden. Doch nicht alle sind ein Freund des provokanten Titels, insbesondere nicht das Europäische Amt für geistiges Eigentum (EUIPO).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aktuell das Wort in einem Markenstreit um den Filmtitel, den das EUIPO partout nicht schützen möchte. Er verstoße gegen die guten Sitten, findet das Amt. Generalanwalt Michal Bobek legte am heutigen Dienstag seine Schlussanträge in der Sache vor - und regte darin an, bei einer solchen Bewertung immer auch den sozialen Kontext zu berücksichtigen.

Zu Entscheiden hat der EuGH über eine Klage der Produktionsgesellschaft Constantin Film, die 2015 beim EUIPO die Wortmarke "Fack Ju Göhte" für diverse Waren und Dienstleistungen anmelden wollte, doch das EUIPO verweigerte die Eintragung. Die Begründung: Persönlichkeitsschutz für eine andere deutsche Berühmtheit, nämlich den Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe (1794-1832). Denn die Wörter "Fack Ju" würden genauso ausgesprochen wie der englische Ausdruck "fuck you", weshalb sie Goethe in geschmackloser, anstößiger und vulgärer Weise beleidigten.

Generalanwalt: Gesellschaft bestimmt, was gute Sitten sind

Daraufhin erhob Constantin Film Klage zum erstinstanzlich zuständigen Gericht der Europäischen Union (EuG), das den Antrag allerdings zurückwies. Die verfremdete Schreibweise der Wörter "Fuck you" reiche nicht aus, um ihm einen satirischen, scherzhaften und verspielten Gehalt zu verleihen, begründete das Gericht damals seine Entscheidung. Außerdem sei nicht gesagt, dass die angesprochenen Verkehrskreise darin zwangsläufig den Filmtitel und nicht einfach einen vulgären Markennamen erkennen würden, da es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handele.

Generalanwalt Bobek, der nun als Gutachter im Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH fungiert, sieht das offenbar grundlegend anders, und findet, dass der bei der Feststellung, was gegen die guten Sitten verstößt, etwas genauer hingeschaut werden muss. Schließlich, so Bobek, finde das Recht auf freie Meinungsäußerung auch im Markenrecht Anwendung.

Wolle das EUIPO also eine Eintragung unter Verweis auf die guten Sitten verhindern, so müsse es schon darlegen, warum diese denn verletzt sein sollten. Dabei sei insbesondere der soziale Kontext zu würdigen und Beweise darüber zu erheben, was in der heutigen Gesellschaft den guten Sitten entspreche. Allein auf den wörtlichen Inhalt einer Marke, isoliert von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und ihrem Kontext, abzustellen, reiche dagegen nicht aus, so der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen.

Der Unterschied zur "Wanderhure"

Was genau er damit meint, erläutert er daraufhin ebenfalls. Zum Beispiel müsse der Erfolg, den der Film trotz seines anstößigen Titels gehabt habe, wie auch die Genehmigung des Filmtitels und die Freigabe des Films für Jugendliche sowie dessen Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe-Instituts berücksichtigt werden. Angesichts dessen bestehe eine starke Indizwirkung dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Titel nicht als anstößig empfänden, so die Schlussfolgerung Bobeks. Weder das EUIPO noch das EuG hätten überzeugende Argumente angeführt, um dies zu widerlegen.

Außerdem habe das Markenamt nicht begründen können, warum der Titel "Fack Ju Göhte" anders zu behandeln sei als der Filmtitel "Die Wanderhure", über den das Amt 2015 zu entscheiden hatte. Damals hatte die Beschwerdekammer einen liberaleren Ansatz gewählt und keine Sittenwidrigkeit angenommen. Das EuG hatte die Unterscheidung schlicht damit begründet, dass der Titel aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise als wesentlich weniger anstößig wahrgenommen werde.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt zum Markenschutz für "Fack Ju Göhte": Anders als die "Wanderhure"? . In: Legal Tribune Online, 02.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36225/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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