Im Streit um Urheberrechtsverletzungen durch Hyperlinks vor dem EuGH hat Generalanwalt Wathelet seine Schlussanträge gestellt. Seiner Auffassung nach ist die Verlinkung auf Websites mit rechtswidrig eingestellten Fotos keine öffentliche Wiedergabe.
Melchior Wathelet will, dass das Internet funktioniert. So begründete der zuständige Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag seine Ansicht, dass Hyperlinks auf rechtsverletzende Webseiten nicht selbst rechtswidrig sind.Eine Haftung für das Setzen von Hyperlinks anzunehmen, würde das Funktionieren des Internets gefährden.
Seiner Ansicht nach stellt das Setzen eines Hyperlinks zu einer Website, auf der ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers Fotos veröffentlicht worden sind, an sich keine Urheberrechtsverletzung dar (Az. C-160/15).Das gelte jedenfalls dann, wenn die rechtswidrigen Inhalte auf der Ursprungsseite für jeden User frei zugänglich sind. Auf die Beweggründe der Person, die den Hyperlink setzt, käme es, sofern der Gerichtshof sich seiner Auffassung anschließt, ebenso wenig an wie darauf, ob sie wusste oder hätte wissen müssen, dass die ursprüngliche Wiedergabe der Fotos auf anderen Websites ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist.
Würde der EuGH sich dieser Rechtsauffassung anschließen, bräche eine neue Ära an. Bislang ist die Frage nach der Haftung für Hyperlinks nicht geklärt, in Deutschland stellt der Bundesgerichtshof bei einfachen Links bisher darauf ab, ob der Verlinkende sich den Inhalt, auf den er verlinkt, zu eigen gemacht hat oder nicht. Ob das das Fall ist, muss jeweils im Einzelfall geklärt werden. Rechtssicherheit geht anders.
Der Playboy, ein nackter TV-Star und die Website Kein Stil
Beim EuGH geht es um einen Fall aus den Niederlanden. Eine niederländische Prominente wurde für den Playboy nackt abgelichtet. Kurz darauf veröffentlichte die niederländische Website GeenStijl (Kein Stil) des Unternehmens GS Media Anzeigen mit einem Hyperlink zu einer australischen Seite, auf welcher die Fotos ohne Genehmigung des Playboy-Verlags zugänglich gemacht worden waren. Die Ausgabe des Männermagazins war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erschienen. Trotz entsprechender Aufforderungen durch den Playboy-Verlag Sanoma weigerte sich GS Media, den Hyperlink zu entfernen.
Nachdem die Fotos auf der australischen Seite gelöscht wurden, setzte GS Media in einem weiteren Artikel einen anderen Hyperlink auf eine andere Seite, auf welcher die Fotos immer noch zu sehen waren. Nachdem auch dort die Fotos gelöscht wurden, waren es nun die Besucher der Webseite GeenStijl, die dort in Foren immer wieder neue Hyperlinks zu Webseiten setzen, welche die Fotos des TV-Stars veröffentlichten.
Die Frage, die der Kassationshof der Niederlande dem Gerichtshof vorlegte, war diffizil wie meist bei Vorlagen nach Luxemburg. Die Niederländer wiesen insbesondere darauf hin, dass die Fotos, bevor GS Media den Hyperlink gesetzt habe, zwar nicht überhaupt nicht, aber auch nicht leicht zu finden gewesen seien, so dass das Auffinden durch das Setzen des Hyperlinks enorm vereinfacht worden sei.
2/2: Generalanwalt: Hyperlinks erleichtern nur die Entdeckung
Die Antwort von Melchior Wathelet klingt recht einfach. Sie trägt in erfrischender Klarheit der Realität des digitalen Zeitalters Rechnung. Und erklärt das bestechend simpel mit einem gemeinsamen europäischen Ziel. In seinen Schlussanträgen führte der Generalanwalt am Donnerstag aus, dass Hyperlinks auf einer Website das Entdecken anderer Seiten und der geschützten Werke, die dort zugänglich sind, zwar erheblich erleichtern. Auch böten sie den Besuchern der Website einen schnelleren und direkteren Zugang zu den geschützten Werken.
Diese Werke würden aber, sofern sie bereits auf einer anderen Website frei zugänglich sind, durch die Hyperlinks nicht der Öffentlichkeit "zugänglich gemacht". Und zwar auch dann nicht, wenn es sich um direkte Hyperlinks handele. Diese erleichterten lediglich die Entdeckung der geschützten Werke, so Wathelet. Die eigentliche "Zugänglichmachung" aber sei durch die ursprüngliche Veröffentlichung auf der australischen Website erfolgt.
Hyperlinks auf einer Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, können daher nach Ansicht des Generalanwalts nicht als "Handlung der öffentlichen Wiedergabe" im Sinne der Info-Soc-Richtlinie (2001/29) eingestuft werden. Das Tätigwerden von GS Media sei für die Zugänglichmachung der Fotos für die Internetnutzer "nicht unerlässlich".
Auf die Frage, ob der Webseitenbetreiber von dem Urheberrechtsverstoß auf den verlinkten Seiten wusste oder hätte wissen müssen, komme es insoweit nicht an. Dies gelte aber nur dann, wenn die Fotos auf den Drittwebsites für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich waren.
Haftung für Hyperlinks würde das Internet beeinträchtigen
Jede andere Auslegung des Begriffs "Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit" würde nach Auffassung des Generalanwalts das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen und den Zweck der Richtlinie gefährden, die Informationsgesellschaft in Europa zu fördern.
Unabhängig vom entschiedenen, doch recht offensichtlichen Fall wüssten Internetnutzer normalerweise nämlich nicht, ob ein geschütztes Werk, das im Internet frei zugänglich ist, ursprünglich mit oder ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers ins Netz gestellt und damit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Und sie seien auch nicht in der Lage, das herauszufinden, so Wathelet.
Liefen die Internetnutzer aber Gefahr, wegen Hyperlinks gerichtlich wegen Verletzung von Urheberrechten belangt zu werden, würden sie noch mehr davor zurückscheuen, solche Links zu setzen. Das wäre dem "guten Funktionieren des Internets, dessen Architektur als solcher und letztlich der Entwicklung der Informationsgesellschaft abträglich", heißt es in einer Mitteilung des EuGH.
De Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH aber nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter beraten den Fall jetzt und verkünden das Urteil zu einem späteren Zeitpunkt.
Pia Lorenz, EuGH-Generalanwalt verneint Urheberrechtsverletzung: Keine Haftung für Hyperlinks . In: Legal Tribune Online, 07.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19000/ (abgerufen am: 07.12.2023 )
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