EuGH zu Streit um Tagungsort des EU-Parlaments: Aus Ver­sehen in Brüssel getagt

von Dr. Markus Sehl

01.05.2018

Brüssel ist nicht Straßburg – das sieht auch die französische Regierung so und klagt gegen Beschlüsse, die das EU-Parlament am Standort Brüssel getroffen hat: Das französische Straßburg sei als Tagungsort an der Reihe gewesen. Nun verhandelt der EuGH.

Ziemlich genau 435 Kilometer sind es von der Hausnummer 60 in der Rue Wiertz in Brüssel bis zur Hausnummer 1 Avenue du Président Robert Schuman in Straßburg – und um diese Entfernung geht es am Mittwoch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), Rechtsache C-73/17.

Die französische Regierung klagt gegen insgesamt vier Beschlüsse des EU-Parlaments zum Haushaltsplan im Jahr 2016, die allesamt in Brüssel getroffen wurden. Und da liegt das Problem. Aus Sicht der französischen Kläger hätten die Plenarsitzungen nicht im belgischen Brüssel – sondern im französischen Straßburg stattfinden müssen.

Am 30. November und 1. Dezember 2016 hatte das Parlament in zusätzlichen Plenarterminen in Brüssel getagt. Die französische Regierung argumentiert unter Verweis auf die Protokolle und die Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das Europäische Parlament seine Haushaltsbefugnisse nur in ordentlichen, in Straßburg stattfindenden Plenartagungen hätte ausüben dürfen.

So aber habe das Parlament gegen Protokoll Nr. 6 als Zusatz zum Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie gegen Zusatzprotokoll Nr. 3 zum Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) verstoßen.

Sie will die vier Akte für nichtig erklären lassen. Nach dem Willen der französischen Regierung sollen die Verhandlungen wiederholt werden – aber dieses Mal in Straßburg. Dabei zielt die Klage nicht darauf, den EU-Haushaltsplan von damals für das Jahr 2017 nachträglich in der Sache anzugreifen. Die französische Regierung hat beim EuGH beantragt, dass die Verabschiedung des Plans wirksam bleiben soll. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass der europäische öffentliche Dienst weiterarbeiten und Rechtssicherheit garantiert werden kann. 

Französische Regierung war bereits mit Pro-Straßburg-Klage erfolgreich

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Frankreich gegen eine Bedeutungsverlagerung in Richtung Brüssel mit einer Klage wehrt. Bereits 2012 war die französische Regierung mit einer Klage beim EuGH erfolgreich, das Parlament musste daraufhin seinen Tagungsplan ändern. 

Das Europäische Parlament hat offiziell drei Standorte: Brüssel, Straßburg und Luxemburg. Immer wieder haben die EU-Parlamentarier versucht mit Initiativen sich auf einen Tagungsort festzulegen. Dabei verwiesen sie auf das Selbstorganisationsrecht des Parlaments. Laut Art. 341 AEUV bestimmen aber die Regierungen der Mitgliedstaaten den Sitz der EU-Organe.

Und Frankreich macht mit seiner aktuellen Klage deutlich, dass es sich weiter gegen jede Richtungsänderung zugunsten des Tagungsortes Brüssel wehren wird. Am Mittwoch findet vor der Großen Kammer des EuGH die mündliche Verhandlung statt – in Luxemburg, auf etwa halber Strecke.

Zitiervorschlag

Markus Sehl, EuGH zu Streit um Tagungsort des EU-Parlaments: Aus Versehen in Brüssel getagt . In: Legal Tribune Online, 01.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28369/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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