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Aufenthaltsrecht auch bei gleichgeschlechtlicher Ehe: EuGH-Gene­ral­an­walt will die Ehe neu defi­nieren

11.01.2018

Freizügigkeit

©kwarner - stock.adobe.com 

Geht es um die Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, umfasst der Begriff "Ehegatte" auch solche desselben Geschlechts. So sieht es jedenfalls der Generalanwalt am EuGH in seinen Schlussanträgen.

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An der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Ehe als Lebensgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts kann nicht mehr festgehalten werden. Das meint der Generalanwalt Melchior Wathelet in seinen Schlussanträgen (v. 11.01.2018, Az. C-673/16) in einem Fall, in dem es um die Freizügigkeit geht.

Zwar stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts zu erlauben oder nicht. Sie dürften aber die Aufenthaltsfreiheit eines Unionsbürgers nicht dadurch behindern, dass sie seinem gleichgeschlechtlichen Ehegatten aus einem Nicht-EU-Land ein Daueraufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet verweigern. Der Begriff des Ehegatten gilt nach Einschätzung des Generalanwalts auch für diese Partnerschaftsformen.

Der Rumäne Relu Adrian Coman und sein amerikanischer Ehemann Robert Clabourn Hamilton hatten in den Vereinigten Staaten gelebt und wollten dann dauerhaft nach Rumänien umziehen. Mit Blick auf die Richtlinie über die Ausübung der Freizügigkeit (2004/38/EG) beantragten sie die nötigen Dokumente. Die Regelung erlaubt es dem Ehegatten eines Unionsbürgers, in den Mitgliedstaat nachzuziehen, in dem sein Mann sich aufhält.

Die rumänischen Behörden versagten Hamilton ein solches Aufenthaltsrecht. Das begründeten sie vor allem damit, dass er in Rumänien nicht als Ehegatte eines Unionsbürgers eingestuft werden könne, weil Rumänien die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkenne. Der schließlich mit dem Fall beraute befasste Verfassungsgerichtshof in Rumänien, der Curtea Constituţională, wandte sich an den EuGH.

Gleichgeschlechtliche Ehe in 13 EU-Ländern erlaubt

Der Generalanwalt betonte, es gehe in dem Fall nicht um die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch den EuGH in einem Mitgliedstaat – diese Entscheidung obliege den Ländern der EU selbst. Das zentrale Rechtsthema sei vielmehr die Freizügigkeit der Unionsbürger. Die Freizügigkeitsrichtlinie enthalte aber keinerlei Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten. Daher müsse der Begriff der Ehe in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten – und auch einheitliche Rechtsfolgen entfalten.

Der Begriff "Ehegatte" sei in der Richtlinie hinsichtlich des Geschlechts der betreffenden Personen neutral und unabhängig vom Ort der Eheschließung. Im Licht der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten der EU betreffend die Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts im vergangenen Jahrzehnt könne an der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht mehr festgehalten werden, so Wathelet. Gegenwärtig ist die gleichgeschlechtliche Ehe in 13 Mitgliedstaaten der Union erlaubt.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Der Generalanwalt unterbreitet dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache – dem das Gericht allerdings häufig folgt. Sollte der EuGH sich auch in diesem Fall dem Vorschlag des Generalanwalts anschließen, muss danach das befasste nationale Gericht unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung entscheiden. Eine Entscheidung des EuGH bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

tap/LTO-Redaktion

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Aufenthaltsrecht auch bei gleichgeschlechtlicher Ehe: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26421 (abgerufen am: 16.11.2025 )

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