Druckversion
Montag, 2.10.2023, 08:09 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/eugh-c-555-19-regionalwerbeverbot-rstv-unverhaeltnismaessig-unionsrechtswidrig-prosieben/
Fenster schließen
Artikel drucken
44172

EuGH-Urteil: Verbot regio­naler Wer­bung im Fern­sehen auf der Kippe

03.02.2021

Hand hält Fernbedienung. Fernseher verschwommen im Hintergrund.

lensw0rld - stock.adobe.com

Insbesondere weil es nicht für Werbedienstleister im Internet gilt, könnte das deutsche Regionalwerbeverbot für nationale Fernsehsender unionsrechtswidrig sein, so der EuGH. Konkret entscheiden muss dies nun das LG Stuttgart.

Anzeige

Das Regionalwerbeverbot im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) könnte wegen eines Widerspruchs in der Regelung und wegen weniger einschränkenden Möglichkeiten gegen Unionsrecht verstoßen. Das führt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom Mittwoch aus und übergibt die Sache zur Entscheidung damit zurück an das Landgericht (LG) Stuttgart (Urt. v. 3.2.2021, Az. C-555/19). Dabei weicht der EuGH in einem Punkt von den Schlussanträgen des Generalanwalts ab.

Das LG Stuttgart wollte vom EuGH per Vorabentscheidungsersuchen wissen, ob das im RStV verankerte Verbot für nationale Fernsehsender, in ihr Programm auch nur regional ausgestrahlte Werbung aufzunehmen, gegen Unionsrecht verstößt. Der Fall betrifft die SevenOneMedia GmbH, die die Vermarktungsgesellschaft von ProSiebenSat1 ist, und eine österreichische Modekette, die bei der Sendergruppe regional in Bayern Werbung aussenden wollte. 

Das Verbot regionaler Fernsehwerbung hat nach Auffassung des EuGH das Ziel, dass regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern die Einnahmen aus regionaler Fernsehwerbung vorbehalten bleiben sollen. Dies solle zum pluralistischen Charakter des Fernsehprogramms beitragen. Dieses Verbot ist jedoch mit einer Öffnungsklausel versehen, die es den Bundesländern ermöglicht, davon abzuweichen, was zum Stein des Anstoßes für das Gerichtsverfahren wurde.

Es liege, so die Richterinnen und Richter des EuGH, kein Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 11 GRCh) vor, da dem deutschen Gesetzgeber ein weites Ermessen zukomme, die Freiheit der Meinungsäußerung mit dem Schutz des Medienpluralismus abzuwägen. Dieses Ermessen habe er nicht überschritten.

Kein Verstoß gegen Meinungsäußerungsrecht, aber vielleicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?

Genau wie der Generalanwalt sehen die europäischen Richterinnen und Richter jedoch einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV). Auch sie sind der Auffassung, dass im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs fraglich sei, ob das Verbot geeignet und erforderlich ist, sein Ziel zu erreichen. Dazu führte der EuGH aus, dass über die Öffnungsklausel die Bundesländer auch weniger beschränkende Maßnahmen erlassen werden könnten. Zudem sehen die Richter einen Widerspruch darin, dass das Verbot nur für Fernsehdienstleister und insbesondere nicht für lineare Werbedienstleistungen, die häufig im Internet erbracht werden, gilt.

Ähnlich sieht es der Gerichtshof auch in der Frage, ob das Regionalwerbeverbot gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 29 GrCH) verstößt. Anders als in den Schlussanträgen sieht das Gericht hier aber die Möglichkeit, dass eine Ungleichbehandlung von Fernsehveranstaltern und Anbietern von (insbesondere linearer) Werbung im Internet vorliegen könnte. Das LG Stuttgart müsse nun prüfen, inwiefern sich die jeweiligen Dienstleistungen voneinander unterscheiden.

In den Schlussanträgen hatte der Generalanwalt noch keine Vergleichbarkeit angenommen und diese sogar als "sinnlos" bezeichnet.

pdi/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

EuGH-Urteil: Verbot regionaler Werbung im Fernsehen auf der Kippe . In: Legal Tribune Online, 03.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44172/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Europa- und Völkerrecht
    • EuGH
    • Fernsehen
    • Werbung
  • Gerichte
    • Europäischer Gerichtshof (EuGH)
15.09.2023
Reise

EuGH zu Verbraucherrechten von Reisenden:

Gerichte dürfen auf Rück­tritts­recht aus EU-Richt­linie hin­weisen

Das Rücktrittsrecht wegen besonderer Umstände aus der Pauschalreise-RL ermöglicht es Reisenden, sich alle getätigten Zahlungen erstatten zu lassen. Kennen sie dieses Recht nicht, darf das Gericht sie darauf hinweisen, urteilte nun der EuGH.

Artikel lesen
31.07.2023
Unlauterer Wettbewerb

Mögliches Rechtsmittel gegen Greenwashing-Urteil:

Ist "kli­ma­neu­tral" das Gleiche wie "CO₂-kom­pen­siert"?

Die Drogeriemarktkette dm darf bestimmte Seifen nicht mehr als "klimaneutral" bewerben, entschied das LG Karlsruhe. Katjes-Fruchtgummis dürfen das Label aber tragen, so kürzlich ein OLG. Wie ist diese Ungleichbehandlung zu erklären?

Artikel lesen
03.10.2023
Mord

Neues vom Planeten Sirius:

War "Fred vom Sirius" ein Seri­en­mörder?

Juristen kennen ihn alle aus dem Studium: Den Siriusfall. Jetzt deckt eine ARD-Recherche weitere mysteriöse Todesfälle im Umfeld des Täters auf. Entstanden ist eine unglaubliche Podcast- und Doku-Serie, meint Katharina Reisch.

Artikel lesen
02.10.2023
Justiz

Staatsanwaltschaft Hamburg am stärksten unter Druck:

30 Pro­zent mehr offene Ermitt­lungs­ver­fahren in zwei Jahren

Mehr Verfahren, komplexe Ermittlungen, Personalmangel. Bundesweit kämpfen die Staatsanwaltschaften gegen die stetig wachsenden Aktenberge, wie der Deutsche Richterbund berichtet. Nur Sachsen-Anhalt trotzt dem Trend.

Artikel lesen
01.10.2023
Meinung

Eine Frage an Thomas Fischer:

Hat sich Fried­rich Merz wegen Volks­ver­het­zung strafbar gemacht?

Nachdem Friedrich Merz eine Bevorzugung von Asylbewerbern bei der Zahnarztbehandlung behauptete, hat eine Abgeordnete der Partei Die LINKE öffentlichkeitswirksam Strafanzeige gegen den CDU-Vorsitzenden erstattet. Was ist da dran, Herr Fischer? 

Artikel lesen
01.10.2023
Mitbestimmung

Betriebliche Mitbestimmung:

USA und Papst versus "rotes Hessen"

Vor 75 Jahren erschien in Wiesbaden ein seltsam zensiertes Gesetzblatt: Auf den Weg gebracht wurde ein neues Betriebsrätegesetz, dem die US-Militärregierung jedoch seine radikaldemokratischen Zähne gezogen hatte.

Artikel lesen
TopJOBS
Voll­ju­ris­tin / Voll­ju­rist Grund­satz­an­ge­le­gen­hei­ten (m/w/d)

Robert Koch-Institut (RKI) , Ber­lin

Re­fe­rent/Re­fe­ren­tin „Ge­setz­li­che Un­fall­ver­si­che­rung“ (m/w/d) in der...

DGUV - Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung , Brüs­sel

Rechts­re­fe­ren­da­re (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Rich­ter/in auf Pro­be (m/w/d)

Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt , Mag­de­burg

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder Frei­be­ruf­ler

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
INCOTERMS2020 - Trainer Rezertifizierung

10.10.2023, Frankfurt am Main

Fachanwaltslehrgang Gewerblicher Rechtsschutz im Fernstudium/online

04.10.2023

Update Sozialpartnermodell (SPM) – Reine Beitragszusage vor dem Durchbruch in der Praxis?!

04.10.2023

BrownBags Metaverse: «Blockchain-Domain-Namen und Markenrechte im Metaverse»

04.10.2023

Übersichtlich organisiert -Termine / Fristen

04.10.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH