Den Interessen der Aktionäre und Gläubiger kann nicht in jedem Fall Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Stabilität des Finanzsystems beigemessen werden. Die Zwangsübernahme einer irischen Bank war unionsrechtskonform, so der EuGH.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass das EU-Gesellschaftsrecht einer ohne die Zustimmung der Hauptversammlung erfolgten Erhöhung des Kapitals einer Bank während der Finanzkrise nicht entgegensteht (Urt. v. 08.11.2016, Az. C-41/15).
Im Sommer 2011 übernahm die irische Regierung die Kontrolle über die irische Bank Irish Life and Permanent plc (ILP), indem sie im Rahmen einer Kapitalerhöhung 99,2 Prozent der Anteile an deren Muttergesellschaft Irish Life and Permanent Group Holdings plc erwarb. Dies geschah aufgrund gerichtlicher Anordnung, nachdem die Hauptversammlung die Zustimmung zu der Rekapitalisierungsmaßnahme verweigert hatte. Private Aktionäre fochten diese Übernahme daraufhin vor den irischen Gerichten an.
Das Handeln der irischen Regierung war aber unionsrechtskonform, entschied der EuGH am Dienstag. Sie habe insbesondere die den Aktionären von der Zweiten Richtlinie 77/91 eingeräumten Rechte nicht verletzt. Die gerichtliche Anordnung der Rekapitalisierung sei die einzige Möglichkeit gewesen, eine Insolvenz des Kreditinstituts zu verhindern und damit eine ernsthafte Bedrohung der finanziellen Stabilität der Union abzuwenden. Die Richtlinie stehe solch außergewöhnlichen Maßnahmen in der Situation einer gravierenden Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats nicht entgegen.
Auch wenn ein klares öffentliches Interesse daran bestehe, in der gesamten Union einen wirksamen und einheitlichen Schutz der Aktionäre und Gläubiger zu gewährleisten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Interesse auch vor dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Stabilität des durch die Verträge der Union eingeführten Finanzsystems vorrang habe, so das Gericht in Luxemburg mit.
acr/LTO-Redaktion
EuGH zur Rekapitalisierung von Banken: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21086 (abgerufen am: 04.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag