Die deutsche Atomsteuer ist mit Unionsrecht vereinbar, urteilte der EuGH am Donnerstag. Energiekonzerne müssen nun weiter Milliarden an Abgaben zahlen. Doch sie hoffen auf das BVerfG, das in diesem Jahr entscheiden soll.
Im Streit um die Kernbrennstoffsteuer hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag eine Richtungsentscheidung getroffen. Die Luxemburger Richter urteilten, dass die deutsche sogenannte Atomsteuer mit EU-Recht vereinbar ist (Urt. v. 04.06.2015, Rechtssache C-5/14).
Energiekonzerne wie die Branchengrößen Eon und RWE müssen damit weiterhin die milliardenschwere Abgabe auf im Reaktor eingesetzte Kernbrennstoffe zahlen und bekommen bereits gezahlte Steuern in Milliardenhöhe nicht zurückerstattet. Sie hoffen nun auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die im Laufe des Jahres gefällt werden soll.
2010 erließ Deutschland das Kernbrennstoffsteuergesetz. Dieses Gesetz führte für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2016 eine Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoff für die gewerbliche Stromerzeugung ein. Diese Steuer beläuft sich auf 145 Euro für ein Gramm Plutonium 239, Plutonium 241, Uran 233 oder Uran 235 und wird von den Bestreibern der Kernkraftwerke geschuldet.
Die Steuereinnahmen sollten dazu dienen, den Haushalt des Bundes zu konsolidieren und insbesondere die Last reduzieren, die dadurch entstanden war, dass die Schachtanlage Asse II, in der aus der Verwendung von Kernbrennstoff stammende radioaktive Abfälle gelagert werden, zwingend saniert werden musste. Die Idee dahinter war: Wer die Lasten verursacht, der soll auch an ihrer Reduzierung beteiligt werden.
Zunächst nicht gezahlte Steuern hatten die Energieversorger auf Weisung des Bundesfinanzhofs im Dezember 2014 vorläufig entrichtet. Weil sie über zwei Milliarden Euro überwiesen, konnte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sogar über den ersten Haushalt ohne neue Schulden seit 1969 freuen.
Die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH, die das Kernkraftwerk Emsland in Lingen betreibt, focht diese Steuer beim Finanzgericht (FG) Hamburg an. Die Energiegesellschaft hatte im Juni 2011 Brennelemente im Kernreaktor ihres Kraftwerks verwendet und schuldete hierfür eine Steuer in Höhe von mehr als 154 Millionen Euro. Die Betreiberin des Kraftwerks war Ansicht, dass die deutsche Kernbrennstoffsteuer nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Das Finanzgericht beschloss, den Gerichtshof zur Vereinbarkeit dieser Steuer mit dem Unionsrecht zu befragen.
Atomsteuer mit Unionsrecht vereinbar
Der Gerichtshof wies zunächst das Argument zurück, wonach Kernbrennstoff gemäß der Richtlinie über die Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (2003/96/EG) von der Steuer zu befreien sei. Die Richtlinie sieht eine verpflichtende Steuerbefreiung u. a. der Energieerzeugnisse vor, die der harmonisierten Verbrauchsteuer unterliegen und für die Stromerzeugung verwendet werden. Der in Frage stehende Brennstoff sei jedoch nicht in dieser Richtlinie aufgelistet und könne daher auch nicht unter die für einige dieser Erzeugnisse vorgesehene Steuerbefreiung fallen, so die Luxemburger Richter.
Auch die Richtlinie über das allgemeine Verbrauchsteuersystem der Kernbrennstoffsteuer (2008/118/EG), die auf die Verwendung dieses Brennstoffs zur gewerblichen Stromerzeugung erhoben wird, stehe der sogenannten Atomsteuer nicht entgegen. Da sie nämlich weder den Verbrauch elektrischen Stroms noch den eines anderen verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisses treffe, stelle diese Steuer weder eine Verbrauchsteuer auf elektrischen Strom noch eine "andere indirekte Steuer" auf dieses Erzeugnis im Sinne der Richtlinie dar. Insbesondere bestehe kein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen der Verwendung von Kernbrennstoff und dem Verbrauch des vom Reaktor eines Kernkraftwerks erzeugten elektrischen Stroms.
Radioaktive Abfälle nur bei Kernbrennstoff
Außerdem stelle die deutsche Kernbrennstoffsteuer keine vom Unionsrecht verbotene staatliche Beihilfe dar. Es handele sich nämlich nicht um eine selektive Maßnahme. Die Arten der Stromerzeugung, die keinen Kernbrennstoff verwenden, seien nicht von der durch das Kernbrennstoffsteuergesetz eingeführten Regelung betroffen. Nur bei der Stromerzeugung, bei der Kernbrennstoff verwendet wird, fielen radioaktive Abfälle an – daher seien die verschiedenen Arten der Stromerzeugung nicht miteinander vergleichbar.
Der Gerichtshof war schließlich der Auffassung, dass der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag), unter den der Kernbrennstoff fällt, der fraglichen Steuer auch nicht entgegenstehe. Sie sei keine Abgabe zollgleicher Wirkung, denn sie werde nicht erhoben, weil der Kernbrennstoff eine Grenze überquere, sondern weil dieser zur gewerblichen Stromerzeugung verwendet werde, ohne dass nach der Herkunft dieses Brennstoffs unterschieden werde.
Zudem stellte der Gerichtshof fest, dass die Verwirklichung der Ziele des Euratom-Vertrags von den Mitgliedstaaten nicht verbiete, die Nutzung von Kernbrennstoff zu besteuern und dadurch weniger attraktiv zu machen. Da die deutsche Steuer nicht den Erwerb von Kernbrennstoff, sondern dessen Verwendung treffe, gefährde sie zudem nicht die Erfüllung der Pflicht des Euratom-Vertrags, für die regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer dieser Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen.
Konzerne hoffen nun auf BVerfG
Bis zuletzt wurde bezweifelt, ob der EuGH die Frage der Rechtmäßigkeit wirklich beantworten würde. Denn das BVerfG soll in den nächsten Monaten in einem parallelen Verfahren entscheiden, ob die Kernbrennstoffsteuer überhaupt mit der deutschen Verfassung vereinbar ist. Der EuGH hätte daher auch entscheiden können, dass er während dieses laufenden Verfahrens nicht urteilen kann.
Die Grünen hatten sich im Vorfeld für die Verlängerung der sogenannten Atomsteuer eingesetzt. "Wenn der EuGH die Steuer positiv beurteilt, wäre das ein wichtiger Schritt für mehr Kostengerechtigkeit", sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Bärbel Höhn, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Urteil. "Die Erhebung der Steuer läuft Ende 2016 aus. Sie muss unbedingt verlängert werden bis das letzte Atomkraftwerk 2022 vom Netz geht", forderte Höhn. "Weil die AKW Betreiber in der Vergangenheit oftmals nicht sorgsam mit ihrem verstrahlten Müll umgegangen sind, fallen bereits heute für die öffentliche Hand Milliardenkosten an", so Höhn. Bisher hätten die Konzerne nur einen kleinen Teil ihrer Schäden mit der Steuer abgegolten.
Die Branchengrößen Eon und RWE könnte das Urteil des EuGH teuer zu stehen kommen. Sie können nur noch auf das Urteil des BVerfG warten und weiter auf die Rückzahlung von Steuern hoffen. Würde der Bund dort verlieren, drohen ihm Milliardeneinbußen.
ahe/dpa/LTO-Redaktion
EuGH zur deutschen Kernbrennstoffsteuer: . In: Legal Tribune Online, 04.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15756 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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