Nur, weil schon jemand eine Matratze ausprobiert hat, wird diese nicht unverkäuflich. Sie könne schließlich gereinigt werden, meint der EuGH. Damit sei eine ausgepackte Matratze nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.
Das Widerrufsrecht im Fernabsatz ist eine recht trockene Materie. Bis es um Matratzen geht: Was nämlich, wenn man eine solche neue Schlafunterlage bestellt, diese aus der sie üblicherweise umschließenden Folie nimmt und ein paar Tage Probe schläft? Kann man sie dann noch zurückgeben?
So wollte es ein Mann aus Mainz. Er hatte bei einem Online-Versandhändler eine Matratze bestellt, die bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen war. Er entfernte diese und teilte dem Versandhändler wenige Tage später mit, dass er die Ware leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung allerdings nicht nach, woraufhin der Mann selbst einen Transporteur beauftragte. Nun wollte er die Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten in Höhe von insgesamt 1.190,11 Euro.
Was ist zur Rücknahme geeignet?
Verbrauchern steht gem. § 312g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Aber es gibt Ausnahmen: So besteht gem. § 3212g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB kein Widerrufsrecht bei versiegelten Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Man denke an andere in Folie verpackte Dinge, wie etwa – ja, Zahnbürsten.
Schon das Amtsgericht Mainz (Urt. v. 26.11.2015, Az. 86 C 234/15) und das Landgericht Mainz (Urt. v. 10.08.2016, Az. 3 S 191/15) waren jedoch davon ausgegangen, dass das Widerrufsrecht für die Matratze nicht ausgeschlossen sei, nur weil der Käufer nach Anlieferung die Schutzfolie entfernt hatte. Der Bundesgerichtshof war sich nicht sicher und legte dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen vor: Fällt eine Matratze unter den Ausnahmetatbestand nach Art. 16 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) und wann ist eine Ware ni diesem Sinne "versiegelt"?
Eine Matratze falle nicht darunter, entschieden nun die Luxemburger Richter (Urt. v. 27.03.2019, Az. C-681/17). Diese komme eher einem Kleidungsstück nahe und damit einer Warenkategorie, für die die Rücksendung nach Anprobe ausdrücklich vorgesehen sei. Auch nach direktem Kontakt mit dem menschlichen Körper könnten derartige Sachen gereinigt oder desinfiziert werden.
Auch eine Matratze könne also durchaus noch von einem Dritten verwendet werden und sei noch für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet. Der EuGH gibt sich lebensnah: Auch im Hotel schliefen mehrere Hotelgäste auf ein- und derselben Matratze – "aufeinanderfolgend". Und es gebe sogar einen Markt für gebrauchte Matratzen.
Bedenkzeit beim Matratzentest
Das Widerrufsrecht soll, begründet der EuGH, den Verbraucher in der besonderen Situation eines Online-Kaufs schützen, in der er keine Möglichkeit hat, die Ware vor Vertragsabschluss zu sehen – so hatte schon der Generalanwalt argumentiert. Es soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem er eine angemessene Bedenkzeit bekommt, innerhalb derer er die gekaufte Ware prüfen und ausprobieren kann, soweit dies erforderlich ist, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise festzustellen.
Der Gerichtshof betont allerdings, dass der Käufer gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust haftet, der aus einem Umgang mit der Ware rührt, der nicht nötig ist zur Prüfung von deren Beschaffenheit, Eigenschaften oder Funktionsweise. Sein Widerrufsrecht verliert er aber auch dadurch nicht.
Widerrufsrecht bei gebrauchter Matratze: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34605 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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