Die Europäische Kommission hat angekündigt, Ungarn vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, weil sie das ungarische Souveränitätsverteidigungsgesetz als Verstoß gegen das EU-Recht erachtet.
Am 12. Dezember 2023 verabschiedete die ungarische Nationalversammlung das Souveränitätsverteidigungsgesetz. Nach Auffassung der Europäischen Kommission schränkt dies zahlreiche Rechte und Freiheiten ein, die in der Charta der Grundrechte der EU verankert sind, und verletzt zudem zentrale Bestimmungen des EU-Binnenmarkts. Deshalb will die Kommission gegen Ungarn nun erneut ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anstoßen.
Der Konflikt verdeutlicht die zunehmenden Spannungen zwischen der ungarischen Regierung und den EU-Institutionen in Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Das Souveränitätsverteidigungsgesetz richtet ein "Amt zur Verteidigung der Souveränität" ein. Dieses neue Gremium soll Aktivitäten untersuchen, die angeblich ausländischen Interessen dienen und die ungarische Souveränität gefährden könnten. Im Fokus stehen insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien, die aus dem Ausland finanziert werden und denen vorgeworfen wird, Wahlen oder den Wählerwillen zu beeinflussen.
Ungarn droht Geldstrafe
Bereits im Februar 2024 hatte die Kommission ein Aufforderungsschreiben an Ungarn gerichtet und ihre Bedenken geschildert. Weil sie die Antwort Ungarns nicht zufrieden stellte, übermittelte die Kommission im Mai 2024 eine mit Gründen versehene Stellungnahme.
Sie beanstandete, dass Ungarns Gesetz einige der EU-Grundrechte und Grundfreiheiten des Binnenmarktes verletze und gegen EU-Datenschutzvorschriften verstoße. Betroffen seien das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Vertraulichkeit der anwaltlichen Korrespondenz sowie die Unschuldsvermutung, die die Selbstbelastungsfreiheit miteinschließt. Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass das Gesetz mehrere Grundfreiheiten des Binnenmarkts, die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, die Dienstleistungsrichtlinie sowie die EU-Datenschutzvorschriften verletzt.
Sollte der Europäische Gerichtshof der Kommission Recht geben und Ungarn verurteilen, drohen dem Land empfindliche finanzielle Strafen. Diese könnten zusätzlich zu den bereits laufenden finanziellen Sanktionen kommen, die Ungarn im Zusammenhang mit Verstößen gegen das EU-Asylrecht auferlegt wurden. In einem früheren Verfahren hatte der EuGH im Juni 2023 Ungarn wegen Verletzungen des EU-Asylrechts verurteilt, wofür Budapest eine Strafe von 200 Millionen Euro zahlen sollte. Da Ungarn die Strafe nicht beglich, plant die Kommission, diese Summe von zukünftigen EU-Leistungen an das Land abzuziehen.
dpa/ls/LTO-Redaktion
Wegen "Souveränitätsverteidigungsgesetz": . In: Legal Tribune Online, 04.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55559 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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