Minimalkompromiss bei EU-Gipfel: Einen Schritt weiter bei rus­si­schen Gel­dern für die Ukraine?

24.10.2025

Bundeskanzler Merz und viele Kollegen wollen das in der EU eingefrorene Vermögen Russlands für die Ukraine nutzen. Beim EU-Gipfel wird lange gerungen – am Ende gibt es nur einen kleinen Etappenerfolg.

Die EU ist mit den Plänen für die Nutzung von eingefrorenem russischem Staatsvermögen für die Ukraine einen Schritt vorangekommen. Angesichts erheblicher Bedenken des zentralen Akteurs Belgien bleibt allerdings vorerst unklar, ob sie am Ende wirklich umgesetzt werden können. Eine Entscheidung soll kurz vor Weihnachten fallen, wie EU-Ratspräsident António Costa nach einem EU-Gipfel in Brüssel mitteilte, bei dem auch Kanzler Friedrich Merz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dabei waren.

Die Staats- und Regierungschefs beauftragten die EU-Kommission damit, so bald wie möglich einen Vorschlag zur Verwendung russischer Vermögenswerte vorzulegen. Auf Drängen Belgiens hin soll die Kommission allerdings auch andere Optionen zur Deckung des Finanzbedarfs der Ukraine für die Jahre 2026 bis 2027 erarbeiten, wie aus einer am Abend veröffentlichten Erklärung hervorgeht.

Belgien bleibt skeptisch

Von einer Einigung auf eine Nutzung des eingefrorenen Vermögens bleibt die EU damit ein ganzes Stück entfernt. Bundeskanzler Merz (CDU) äußerte vor drei Wochen noch die Erwartung, es werde beim Gipfel "aller Voraussicht nach dazu eine konkrete Entscheidung geben". Die jetzige Erklärung ist aber nur ein erster Schritt in diese Richtung und nicht das erwartete starke Signal an Russland. Dazu trug auch bei, dass Ungarns Regierung – die einen vergleichsweise guten Draht nach Moskau hat – sich weigerte, den Text mitzutragen. 

Vor allem Belgien bleibt skeptisch: Das Land warnt vor rechtlichen Risiken und möglichen Nachteilen für europäische Unternehmen mit Russland-Geschäften. Da das eingefrorene russische Vermögen beim belgischen Finanzinstitut Euroclear liegt, kommt Belgien in der Diskussion eine Schlüsselrolle zu.

Der belgische Premierminister De Wever fordert, dass das Risiko einer möglichen Rückzahlung vollständig auf alle EU-Staaten verteilt wird. Außerdem verlangt er Garantien, dass sich alle Mitgliedsländer beteiligen, falls Russland die Gelder zurückfordert. Belgien fürchtet zudem, dass europäische Vermögenswerte in Russland beschlagnahmt werden könnten.

Merz und von der Leyen wollen Pläne vorantreiben

Die vor allem von Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetriebenen Pläne sehen vor, in der EU festgesetztes Geld der russischen Zentralbank zu verwenden, um der Ukraine Darlehen in Höhe von bis zu 140 Milliarden Euro zu geben. Russland soll das Geld nur dann zurückbekommen, wenn es nach einem Ende des Angriffskriegs gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet. Für den Fall, dass das eingefrorene russische Geld unerwartet wieder freigegeben werden müsste, sollen die EU-Staaten Garantien leisten.

Auch Rechtsexperten befürworten die Pläne und halten es für rechtlich möglich, dass russische Gelder eingesetzt werden, um Russland entgegenzutreten. So Patrick Heinemann auf LTO, der betont, der Schritt werde nicht als Sanktion gegen beliebiges völkerrechtswidriges Verhalten, sondern als Reparation für schwerstes Unrecht erwogen.

Deutsche Unternehmen befürchten Milliardenverluste

Auch in Deutschland gibt es starke Vorbehalte: Deutsche Unternehmen befürchten Verluste in Milliardenhöhe, da sie besonders stark in Russland investiert sind. Laut der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer sind Vermögenswerte im Wert von über 100 Milliarden Euro gefährdet.

Hintergrund der Debatte ist der enorme Finanzbedarf der Ukraine. Für militärische und staatliche Unterstützung werden in den kommenden zwei Jahren voraussichtlich über 100 Milliarden Euro benötigt. Der IWF schätzt allein den Bedarf an Haushaltshilfen auf rund 52 Milliarden Euro, hinzu kommen etwa 80 Milliarden Euro für Waffen und Munition. Sollte das russische Vermögen nicht genutzt werden können, müssten die EU-Staaten die Mittel selbst aufbringen – was angesichts hoher Schulden insbesondere in Ländern wie Frankreich und Italien schwierig wäre.

Eine finale Entscheidung über das Vorgehen soll beim EU-Gipfel am 18. Dezember fallen.

dpa/pz/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Minimalkompromiss bei EU-Gipfel: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58459 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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