Druckversion
Sunday, 14.08.2022, 17:20 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/eu-billigt-brexit-deal-was-sagt-das-britische-parlament/
Fenster schließen
Artikel drucken
38249

EU billigt neues Brexit-Abkommen: Was sagt das bri­ti­sche Par­la­ment zum "großar­tigen Deal"?

17.10.2019

Westminster Bridge London

© Alexey Fedorenko - stock.adobe.com

Nur zwei Wochen vor dem Brexit-Termin haben sich die EU und die britische Regierung zusammengerauft. Der britische Premier Johnson muss nun zuhause um die Mehrheit kämpfen.

Anzeige

Die Zitterpartie um den Brexit geht trotz eines neuen Abkommens zwischen London und Brüssel in die nächste Runde. Die 27 bleibenden EU-Staaten billigten den neuen Deal am Donnerstag beim EU-Gipfel. Doch kam sofort Widerstand aus dem britischen Unterhaus, das am Samstag zustimmen muss. Der britische Premierminister Boris Johnson mahnte die Abgeordneten dringend zu einem Ja und nannte das neue Abkommen "großartig". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte den Kompromiss, der den Weg zu einem sanften Brexit in zwei Wochen ebnen soll.

Der Durchbruch war unmittelbar vor dem EU-Gipfel gelungen, zu dem Merkel, Johnson und die übrigen 26 Staats- und Regierungschefs nach Brüssel kamen. Johnson wandte sich dort noch einmal an seine Kollegen und warb für den Deal. Eine Reihe von Teilnehmern fragten den Premier nach Angaben eines Diplomaten nach der innenpolitischen Situation. Von Seiten der 27 bleibenden EU-Staaten gab es keine entscheidenden Vorbehalte. Sie versprachen, sich für ein pünktliches Inkrafttreten am 1. November einzusetzen.

"Wo ein Wille ist, ist auch ein Deal", schrieb EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker auf Twitter. "Es ist eine faire und ausgewogene Vereinbarung für die EU und Großbritannien und es steht für unseren Einsatz, Lösungen zu finden." Auch das EU-Parlament könnte sich rasch mit der Ratifizierung befassen.

Nordirische DUP kündigt Widerstand an

Ganz anders waren die Reaktionen in London. Nicht nur die Labour-Opposition attackierte die Vereinbarung, sondern auch Johnsons parlamentarischer Partner, die nordirische Protestantenpartei DUP. Sie werde im Unterhaus nicht zustimmen, kündigte die DUP an. Die vereinbarte Lösung sei dem wirtschaftlichen Wohl Nordirlands nicht zuträglich und untergrabe die Einheit des Vereinigten Königreichs.

Das Parlament wird am Samstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Johnson hat im Unterhaus ohnehin keine Mehrheit und kann nur auf Unterstützung aus der Opposition hoffen. "Ich hoffe sehr, dass meine Abgeordneten-Kollegen in Westminster jetzt einig werden, um den Brexit zu vollziehen, um diesen hervorragenden Deal über die Ziellinie zu bringen und den Brexit ohne weitere Verzögerung zu liefern", sagte Johnson an Junckers Seite in Brüssel.

Der britische Premier will sein Land unbedingt zu Halloween, am 31.Oktober, aus der Staatengemeinschaft führen. Lange hatte er versichert, Großbritannien werde auch ohne Deal aussteigen. Ein britisches Gesetz verpflichtet ihn aber, bei der EU um Aufschub zu bitten, falls bis Samstag kein Abkommen vom Parlament gebilligt ist. In dem Fall dürften die EU-Staaten dies auch gewähren.

In Brüssel beharrte Johnson auf einem pünktlichen Austritt. Juncker sprang ihm bei und sagte: "Wir haben einen Deal. Und dieser Deal bedeutet, dass es keine Notwendigkeit für irgendeine Verlängerung gibt." Auch EU-Unterhändler Michel Barnier hält die zwei Wochen bis zum Termin für ausreichend für die Ratifizierung. Er appellierte an das britische Unterhaus, Verantwortung zu übernehmen.

Einigung beim Backstop

Streitpunkt war bis zuletzt die ursprünglich vereinbarte Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Derzeit gibt es keine Kontrollen zwischen beiden Teilen der irischen Insel. Das wollen Dublin und Brüssel erhalten, um den zerbrechlichen Frieden in dem ehemaligen Bürgerkriegsgebiet nicht zu gefährden.

Nach Barniers Worten umfasst die Einigung nun vier Punkte: Nordirland hält sich weiter an bestimmte EU-Warenstandards; Nordirland bleibt sowohl in einer speziellen Zollpartnerschaft mit der EU als auch in der Zollunion des Vereinigten Königreichs; es gibt eine Vereinbarung über die Mehrwertsteuer, um Marktverzerrungen zu vermeiden; und die nordirische Volksvertretung kann vier Jahre nach Inkrafttreten der Vereinbarung und dann nach bestimmten Zeiträumen immer wieder darüber abstimmen, ob sie weiter gelten soll.

Der vom Brexit besonders betroffene EU-Staat Irland trägt dies mit. "Wir haben eine einzigartige Lösung für Nordirland gefunden, die der einzigartigen Geschichte und Geografie Rechnung trägt", schrieb der irische Regierungschef Leo Varadkar auf Twitter. Bundeskanzlerin Merkel nannte die Unterstützung Varadkars ein "ganz wichtiges Zeichen" und die Einigung vom Donnerstag "eine gute Nachricht".

Geändert wurde auch die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen der EU zu Großbritannien, wie Barnier erläuterte. Darin gebe Großbritannien "solide Garantien", dass EU-Standards etwa bei
Umwelt- oder Sozialauflagen nicht unterboten werden. Das sei das bestmögliche Ergebnis gewesen, sagte Barnier.

Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht trotzdem die Sicherheit von Lebensmitteln, den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern nach dem EU-Austritt in Gefahr und spricht von einem "Ausverkauf". Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei erklärte: "Es scheint, dass der Premierminister einen noch schlechteren Deal verhandelt hat als (seine Vorgängerin) Theresa May." Die Briten hatten vor gut drei Jahren mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.

aka/dpa/LTO-Redaktion

 

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

EU billigt neues Brexit-Abkommen: Was sagt das britische Parlament zum "großartigen Deal"? . In: Legal Tribune Online, 17.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38249/ (abgerufen am: 14.08.2022 )

Infos zum Zitiervorschlag
Das könnte Sie auch interessieren:
  • Supreme Court entscheidet - Darf Schott­land über Unab­hän­gig­keit abstimmen?
  • Brexit-Streit um Nordirland-Protokoll - EU-Kom­mis­sion leitet vier Ver­fahren gegen Großbri­tan­nien ein
  • Rechtsstaatlichkeit - EU-Kom­mis­sion treibt Ver­fahren gegen Polen voran
  • Empfehlung der EU-Kommission - Bes­sere Bezah­lung von Rich­tern in Deut­sch­land
  • Neuwahlen nach Johnson-Rücktritt - "Fami­li­en­st­rei­tig­keiten klärt man unter sich"
  • Rechtsgebiete
    • Europa- und Völkerrecht
  • Themen
    • Brexit
    • EU-Kommission
TopJOBS
As­sis­tenz (w/m/d)

ADVANT Beiten , Frank­furt am Main

Fach­re­fe­rats­lei­ter*in (w/m/d)

Hagen Law School in der iuria GmbH , Ha­gen

Werk­stu­dent (m/w/d) - Con­tent St­ra­te­gy & De­ve­lop­ment

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter / Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin / Con­tract...

Becker Büttner Held , Ber­lin

Werk­stu­dent (m/w/d) Me­dia Sa­les

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Se­k­re­tär/Se­k­re­tärin (m/w/d)

Becker Büttner Held , Stutt­gart

Stu­den­ti­sche Aus­hil­fe oder wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , Mün­chen

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth und 1 wei­te­re

Rechts­an­wäl­tin / Rechts­an­walt (m/w/d) - Pu­b­lic Law / Eu­ro­pe­an Law

White & Case , Ber­lin

Par­la­men­ta­ri­sche Be­ra­ter*in (m/w/d) für den Un­ter­su­chungs­aus­schuss

SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg , Stutt­gart

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Interviewtage @ Hannover

25.08.2022, Hannover

Workshop-Reihe "Experience the Deal – reloaded!" Negotiating & Closing the Deal

27.08.2022, Berlin

Fachanwaltslehrgang Insolvenzrecht im Fernstudium/online

15.08.2022

Montagmorgenkaffee: Mach deine Ziele netzwerk-attraktiv

15.08.2022

Aktuelle Fragen der Vermögens- und Unternehmensnachfolge (5 Std. FAO)

17.08.2022, Köln

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH