Polens Regierung lässt nicht locker: Sie will unabhängige Richter disziplinieren. Gegen ein erstes entsprechendes Gesetz geht die EU-Kommission bereits vor. Auch gerade beschlossene neue Regeln sind höchst umstritten.
Die Europäische Kommission hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Polens umstrittene Regeln zur Disziplinierung von Richtern beantragt. Die Brüsseler Behörde habe den Antrag beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gestellt, teilte der EuGH am Freitag mit. Der Schritt betrifft das bestehende Gesetz, doch auch neue Regeln, die Polens Parlament am Donnerstag beschloss, beobachtet Brüssel mit Sorge: "Die Kommission wird nicht zögern, bei Bedarf entsprechende Maßnahmen zu ergreifen", sagte ihr Sprecher Christian Wigand am Freitag.
Die zuständige EU-Kommissarin Véra Jourová komme nächste Woche nach Polen und sei bereit zu Gesprächen mit der Regierung, sagte Wigand weiter. Frühere Angebote zum Dialog hatten allerdings nicht gefruchtet: "Wir haben unsere Sorgen bei mehreren Gelegenheiten geäußert", sagte der Kommissionssprecher über das am Donnerstag verabschiedete neue Gesetz. "In ihrem Brief vom 19. Dezember hat Vizepräsidentin Jourová die polnische Regierung gebeten, das Gesetz nicht ohne angemessene Rücksprache voranzutreiben."
Mit dem neuen Gesetz will Polens nationalkonservative Regierungspartei PiS weitere Disziplinarmaßnahmen einführen. Es sieht Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung für Richter vor, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Auch dürfen sie sich nicht politisch betätigen.
Polnische Justizreform beschäftigt EuGH nicht zum ersten Mal
Schon mit dem Gesetz vom Dezember 2017, gegen das die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet hat, führte die PiS erste tiefgreifende Änderungen bei der disziplinarischen Verantwortung der Richter ein. In der Folge bekam Justizminister Zbigniew Ziobro, der zugleich Generalstaatsanwalt ist, weitgreifende Vollmachten für die Richter-Disziplinierung. Er kann direkt vorgehen oder über von ihm ausgewählte Disziplinierungsbeauftragte.
Die EU-Kommission bezieht sich in ihrem Antrag auf die neue Disziplinarkammer, ein Schlüsselelement der von der PiS initiierten Justizreformen. In dem Gremium, das im Herbst 2018 seine Arbeit aufnahm, sind bislang zehn der 16 Sitze besetzt, meist mit Juristen und ehemaligen Staatsanwälten aus der Umgebung von Justizminister Ziobro. Die Disziplinarkammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen.
Ernannt werden die Mitglieder der Disziplinarkammer vom Präsidenten der Republik, ausgewählt vom Landesjustizrat. Dieser soll eigentlich die Unabhängigkeit der Richter garantieren. Früher hatten in ihm Richter die Mehrheit, die von anderen Richtern gewählt wurden. Doch seit der PiS-Justizreform Ende 2017 werden die Mitglieder des Landesjustizrats vom Parlament gewählt.
Anfang Dezember hatte Polens Oberstes Gericht geurteilt, die Kammer erfülle nicht die Anforderungen des europäischen und damit auch nicht die des polnischen Rechts, weil der Landesjustizrat nicht unabhängig sei. Der EuGH hatte die Angelegenheit zuvor zurück an die polnische Justiz verwiesen und entschieden, dass diese die Unabhängikeit der Disziplinarkammer selber überprüfen muss. Das am Donnerstag verabschiedete neue Gesetz ist eine Reaktion der PiS darauf, dass Richter infolge des Urteils des Obersten Gerichts begonnen haben, die Rechtmäßigkeit der Disziplinkammer sowie des Landesjustizrates und der von ihm ernannten Richter anzuzweifeln.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Justizrefom in Polen: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39893 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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