Das Anzeigenblatt "Einkauf Aktuell" flattert jede Woche millionenfach in deutsche Briefkästen - ungefragt und auch trotz Widerspruchs. Verbraucherschützer beschweren sich über unnötigen Müll und wollen klagen.
In Zeiten gestiegener Klimaschutz-Priorität steht auch die Plastikvermeidung hoch im Kurs. Ab 2021 soll es in der EU bspw. keine Trinkhalme oder Einweggeschirr aus Plastik mehr geben. Wie passt es dazu, dass die Deutsche Post, an der der Staat mittelbar immer noch Anteile um die 20 Prozent hält, jede Woche ungefragt Millionen von Bundesbürgern ein Anzeigenblatt zukommen lässt, eingeschweißt in Plastik?Das fragt sich die Umweltschutzinitiative "Letzte Werbung", die nun gegen diese Praxis klagen will.
Der Berliner Verein setzt sich allgemein gegen ungefragte Werbezusendungen ein, die Woche für Woche in deutschen Briefkästen landen. Das sorgt für Unmengen Papier- und auch Plastikmüll, den man vermeiden könnte, meinen die Aktivisten. Aktuell bereitet der Verein in mehreren Bundesländern Klagen gegen die Versendung des Werbeblatts "Einkauf Aktuell" durch die Post vor. Ziel sei es, ein Grundsatzurteil zu erstreiten.
Das Blatt wird nach Angaben des Konzerns jede Woche an bis zu 20 Millionen Haushalte versendet, jedes einzeln in eine Plastikfolie eingeschweißt. In vielen Fällen dürfte es allerdings ungelesen und noch verpackt in den Müll wandern. Eine unnötige Verschwendung, finden Verbraucher wie Umweltschützer.
Post bemüht sich um Verbesserungen
Dabei ist es nicht so, als hätte sich die Deutsche Post nicht Mühe gegeben, auf die Bedenken einzugehen. So hat der Konzern auf seiner Website eine "Ökobroschüre" veröffentlicht, die zur Umweltverträglichkeit der "Einkauf Aktuell" Stellung nimmt. Dort findet sich auch der Hinweis, dass die Postille seit 2016 mit dem Blauen Engel zertifiziert sei, einem Siegel, das in Deutschland seit 1978 u. a. vom Bundesumweltministerium für besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen vergeben wird. Und schließlich versuche die Post, den Materialaufwend stetig zu verringern und verwende bspw. zur Verpackung eine PE-Folie, die bei Transport und Distribution verglichen mit "Biofolie" weniger CO2-Ausstoß verursache und eine bessere Entsorgungsbilanz aufweise.
Schon 2014 hatte ein 18-Jähriger mit einer Petition gegen "Einkauf Aktuell" für Aufsehen gesorgt, die 140.000 Unterschriften sammelte und auch von der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) unterstützt wurde. Die Post sah sich allerdings nicht veranlasst, die Versendung des Anzeigenblatts einzustellen oder zu ändern. Die Zustellung sei ein Massengeschäft, bei dem nicht einfach einzelne Empfänger über Namenslisten ausgenommen werden könnten, hieß es aus der Bonner Zentrale des Konzerns.
Juristisch spielt Umweltschutz keine Rolle
In den nun anstehenden Gerichtsverfahren geht es juristisch aber gar nicht primär um den Umweltschutz. Die Klagen, die in den kommenden Monaten an etwa einem Dutzend Gerichten im ganzen Bundesgebiet eingereicht werden sollen, stützen sich auf einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 i. V. m. § 823 Bürgerliches Gesetzbuch, wie Rechtsanwalt David Werner von der Berliner Verbraucherschutzkanzlei Baumeister Rosing Rechtsanwälte gegenüber LTO erklärte. Für die Umweltinitiative rügt er in diesem Rahmen eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR). Einzig im Rahmen der Abwägung könnten Umweltaspekte noch eine Rolle spielen, meint Werner. Gleichwohl gehe es der Initiative natürlich vor allem darum, Papier- und Plastikverschwendung zu verhindern.
Die UMweltschützer stützten sich u. a. auch auf bereits ergangene Urteile wie eine Entscheidung des Landgerichts Lüneburg, das im Jahr 2011 einem Anwalt Recht gab, der von der Deutschen Post forderte, ihm das Anzeigenblatt nicht mehr zuzuschicken. Der Jurist hatte zuvor sogar schriftlich der Zusendung widersprochen. Das Gericht stellte damals eine Verletzung seines APR, genauer des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sowie eine Eigentums- oder Besitzstörung fest. Zudem erkannten die Richter im Rahmen ihrer Prüfung auch einen Wettbewerbsverstoß. "Die Urteile sagen ganz klar: Wenn ein Verbraucher es nicht haben möchte, dann darf es ihm auch nicht zugeschickt werden", so Werner. Die Post dürfe durchaus informieren und werben, "aber man muss die Chance haben, zu sagen, dass man das nicht möchte".
Werner bestätigte zudem, dass man sich auf langwierige Verfahren durch mehrere Instanzen einstelle. "Die bisherigen Verfahren legen nahe, dass die Deutsche Post bei einem für sie ungünstigen Ausgang Berufung einlegen wird", meint der Anwalt. Dafür spricht auch, dass der Konzern dem Vernehmen nach über "Einkauf aktuell" Einnahmen von rund 250 Millionen Euro pro Jahr generiert.
Außer Umweltaktivisten und so manchen Verbraucher verärgert die Post mit "Einkauf Aktuell" übrigens noch eine weitere Personengruppe: Zeitungs- und Anzeigenblattverleger kritisieren, die Post verzerre als immer noch teilstaatlich finanziertes Unternehmen den Wettbewerb, indem sie Anzeigenkunden mit Dumpingpreisen abwerbe. Klagen ihrerseits blieben aber bislang wohl erfolglos.
mam/LTO-Redaktion
Ungefragte Werbesendungen: . In: Legal Tribune Online, 23.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36621 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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