Union und SPD haben sich auf ein neues Bundespolizeigesetz geeinigt. Nach dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz soll nun auch die Bundespolizei unter bestimmten Voraussetzungen verschlüsselte Kommunikation mitlesen dürfen.
Nachdem die Regierung erst keinen Kompromiss gefunden hatte, haben sich jetzt die Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz geeinigt. Danach sollen die Bundespolizisten mehr Befugnisse erhalten - unter anderem bei der Verfolgung von Straftaten und der präventiven Überwachung von verschlüsselten Chats. Über die Eckpunkte, auf deren Basis die beiden Fraktionen eine konkrete Vorlage in den Bundestag einbringen wollen, hatte zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Montag) berichtet.
Mit der Quellen-TKÜ soll der Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Nachrichten gelingen. Dies soll der Bundespolizei gemäß dem Vorschlag der großen Koalition aber nur dann gestattet sein, wenn dies für die Bekämpfung von Menschenhandel und Schleuserkriminalität notwendig ist. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae findet es trotzdem überzogen. Er sagt: "Die Große Koalition befindet sich offenbar in einem Überwachungswahn." Dass jetzt auch noch die Bundespolizei mit dem Staatstrojaner ausgestattet werden solle, sei "ein schlechter Witz".
Das Eckpunktepapier sieht vor, dass die Bundespolizei künftig die Strafverfolgung bei "unerlaubtem Aufenthalt" in Deutschland selbst durchführen kann. Sie soll auch das Recht erhalten, selbst Platzverweise zu erteilen oder Blutproben entnehmen zu lassen. Bisher durften das nur die Landespolizeien. Außerdem will die Koalition, dass die Bundespolizei künftig nicht nur für Vergehen, sondern auch für Verbrechen zuständig ist. Das betrifft unter anderem die Verfolgung von Diebesbanden, die in Zügen und Bahnhöfen Beute machen. Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic befürchtet allerdings, dass die Gesetzesnovelle "zu einem Kompetenz-Wirrwarr bei den Sicherheitsbehörden des Bundes führen wird".
Keine Online-Durchsuchung und Gesichtserkennung
Einiges, was in den frühen Entwürfen aus dem Haus von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) noch stand, findet sich in den jetzt vorgelegten Eckpunkten nicht mehr wieder. Weiterhin nicht erlaubt bleiben laut Eckpunktepapier die Online-Durchsuchung – also der verdeckte Zugriff auf einen Computer - und die elektronische Gesichtserkennung. Letzteres hat auch damit zu tun, dass die Technologie hier noch nicht ganz ausgereift ist. Zwar setzen Länder wie China die Gesichtsüberwachung auch im öffentlichen Raum bereits ein, aber richtig gut funktioniert das nicht.
Das Problem sind vor allem "false positive"-Fälle. Das System glaubt also, jemanden zu erkennen, der es dann aber doch nicht ist. Vielleicht auch deshalb hatte Seehofer in seinen letztlich fruchtlosen Verhandlungen mit dem SPD-geführten Justizressort bereits auf die Gesichtserkennung verzichtet.
Auch eine räumliche Ausweitung der Zuständigkeit der Bundespolizei über den 30-Kilometer-Raum an der Grenze hinaus soll nun nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen werden. Dagegen hatten sich dem Vernehmen nach vor allem einige Länder gesträubt, allen voran Bayern.
Gesetz soll schnell verabschiedet werden
Auch wenn sich die Union noch mehr gewünscht habe, sei die Einigung dennoch eine gute Nachricht für die Bundespolizisten, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU). "Dabei ist die Befugnis zur Quellen-TKÜ hervorzuheben". Die Gesetzesnovelle, die vor der Bundestagswahl verabschiedet werden soll, sei "dringend notwendig", da die Regelungen im geltenden Gesetz überwiegend noch aus dem Jahr 1994 stammten. "Jede Seite war am Ende kompromissbereit, so dass ein gutes Ergebnis für die Polizistinnen und Polizisten jetzt auf dem Tisch liegt", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese der FAZ.
Bei der Bundespolizei sind mehr als 51.000 Menschen beschäftigt, darunter etwas weniger als 43.000 Polizeibeamte und Anwärter. Die Bundesbehörde ist vor allem für den Grenzschutz sowie die Sicherheit im Bahn- und Luftverkehr zuständig.
In einem Schreiben, das die Fachpolitiker am Wochenende an Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) geschickt haben, heißt es: "Für eine beschleunigte Umsetzung der Eckpunkte schlägt die SPD-Bundestagsfraktion eine Fraktionsinitiative als Verfahren vor."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Einigung von Union und SPD: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43589 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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