Epidemie-Gesetz in NRW ausgebremst: Kein "Blan­ko­scheck" für Laschet-Regie­rung

01.04.2020

Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Das galt bei den Milliarden-Hilfe angesichts der Coronakrise. Die Einschränkung von Grundrechten im Eilverfahren geht allerdings nicht nur der Opposition im NRW-Landtag zu weit.

Die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag bremst den Plan von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) für weitgehende Regierungsbefugnisse im Kampf gegen das Coronavirus vorerst aus. Gut eine Woche nach der einstimmigen Verabschiedung eines 25-Milliarden-Rettungspakets im Landtag verweigerten SPD, Grüne und AfD, der CDU/FDP-Regierung am Mittwoch die rasche Zustimmung zum geplanten Epidemie-Gesetz zu geben. Die Opposition warnte Laschet, im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus die Rechte des Parlaments zu beschneiden.

"Das Virus ist noch lange nicht gestoppt", sagte Laschet im Landtag. "Um italienische Verhältnisse zu vermeiden", müssten weiterhin alle gemeinsam gegen die Ausbreitung kämpfen. Der umstrittene Gesetzentwurf wurde nicht, wie ursprünglich von der Regierung geplant, im Eiltempo durch den Landtag gebracht, sondern zunächst in Ausschüsse überwiesen. Am 6. April sollen dann Sachverständige angehört und am 9. April eine Sonderplenarsitzung in den Osterferien einberufen werden. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem Zwangsverpflichtungen von Ärzten im Notfall vor. Außerdem sollen die Behörden berechtigt werden, medizinisches Material sicherzustellen. 

Zu unbestimmt und am Parlament vorbei?

Kritik kam vom früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs (VerfGH) Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams. Für "eine solche Beschneidung von Grundrechten, zu denen auch die Freiheit der Berufsausübung gehört, braucht es ein Höchstmaß an inhaltlicher Bestimmtheit der Voraussetzungen, unter denen ein solcher Grundrechtseingriff möglich sein soll", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Daran mangele es dem Entwurf der schwarz-gelben Koalitionsregierung.

Die Landesregierung versuche, in der Corona-Krise mit Rechtsverordnungen am Parlament vorbei zu regieren, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. "Diesen Freifahrtschein können wir Ihnen so nicht ausstellen". Auch von der AfD gab es Kritik. Das Parlament dürfe in Krisenzeiten der Regierung keine "Blankovollmachten" ausstellen, sondern müsse Verantwortung übernehmen, forderte Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. Die geplanten Eingriffsbefugnisse seien so gravierend, dass sie nur befristet gelten dürften. Zwangsverpflichtungen seien zudem "weder erforderlich noch angemessen".

Auch die FDP als Koalitionspartner der CDU äußerte Bedenken. "Es darf nicht an der Parlamentsbeteiligung und am Parlamentsvorbehalt gerüttelt werden", sagte FDP-Fraktionschef Christof Rasche. CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen stellte klar, dass weiterhin das Parlament das letzte Wort haben solle und Arbeitgeber zudem dem Einsatz von zwangsverpflichteten Medizinern widersprechen könnten. Alle Fraktionen zeigten sich aber bereit, das Gesetz zu korrigieren und zu einer Einigung zu kommen.

Expertenrat soll Exit-Strategie erarbeiten

Laschet berief unterdessen einen Expertenrat ein. Dieser soll Kriterien erarbeiten, wie das öffentliche Leben nach der Coronakrise wieder in Gang gebracht werden kann. Das zwölfköpfige Experten-Gremium aus Virologen, Soziologen, Ethikern und Juristen soll seine Arbeit am Freitag aufnehmen. Die Politik könne nicht Ende April einfach verkünden, aus den Beschränkungen auszusteigen und alles wieder zu öffnen, rechtfertigte Laschet den Expertenrat. Düker entgegnete, auch diese Debatte gehöre eigentlich in den Landtag. Denn das Parlament entscheide am Ende, wann und wie die Corona-Maßnahmen gelockert würden.

Noch vor einer Woche hatten alle Fraktionen einstimmig für das eilig geschnürte 25-Milliarden-Hilfspaket der Landesregierung die Hand gehoben, auf gegenseitige Angriffe verzichtet und sich gegenseitig Applaus gespendet. Dieser Burgfrieden galt am Mittwoch nun nicht mehr.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Epidemie-Gesetz in NRW ausgebremst: Kein "Blankoscheck" für Laschet-Regierung . In: Legal Tribune Online, 01.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41183/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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