EGMR verurteilt Ukraine im Fall Timoschenko: Anordung der Untersuchungshaft war willkürlich

30.04.2013

Im Verfahren Timoschenko gegen die Ukraine verkündete der EGMR am Dienstag sein Urteil. Danach war die Anordnung der Untersuchungshaft gegen die ehemalige ukrainische Premierministerin willkürlich. Zudem sei die Rechtmäßigkeit der Haft nicht angemessen geprüft worden und die Politikerin habe keine Möglichkeit gehabt, für ihre unrechtmäßige Freiheitsentziehung Schadensersatz zu beantragen.

Die frühere ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko hatte sich mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewandt, mit der sie die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Bedingungen gerügt hatte.

Nach dem die Straßburger Richter der ukrainischen Regierung bereits im März 2012 in einer vorläufigen Entscheidung aufgegeben hatten, eine angemessene medizinische Behandlung der Politikerin sicherzustellen, verurteilten sie das Land nun auch in der Hauptsache. Verletzt habe die Ukraine das Recht auf Freiheit und Sicherheit, Art. 5 Abs. 1 EMRK, sowie den Anspruch auf eine zügige Prüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung, Art. 5 Abs. 4 EMRK. Daneben habe die Ukraine nicht sichergestellt, dass Timoschenko wegen der unrechtmäßigen Inhaftierung Schadensersatz geltend machen kann, wie dies Art. 5 Abs. 5 EMRK fordere. 

Der EGMR war außerdem der Auffassung, dass die Politikerin nicht aus den nach Art. 5 EMRK zulässigen Gründen in Untersuchungshaft genommen worden war. Im Wesentlichen habe der ukrainische Kollege den Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft damit begründet, dass Timoschenko das Strafverfahren behindere und sich während der Gerichtsverhandlungen verächtlich verhalte.

Allerdings entschied der EGMR auch, dass Art. 3 EMRK nicht verletzt worden sei. Timoschenko hatte sich auf das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung berufen, weil sie bei ihrer Verlegung in eine Klinik misshandelt worden sei. Zwar stellte der Gerichtshof fest, dass während der Haft bei 52-Jährigen Blutergüsse aufgetreten waren. Da sich Timoschenko allerdings einer gerichtsmedizinischen Untersuchung verweigerte hatte, konnte nicht geklärt werden, ob die Verletzungen Folge einer Behandlung gewesen waren, die im Widerspruch zu Art. 3 EMRK gestanden hatte (Urt. v. 30.04.2013, Az. 49872/11).

Ukraine prüft Rechtsmittel

Die Ukraine will den Urteilsspruch prüfen. "Wir müssen die Entscheidung zugestellt bekommen. Wir werden sie analysieren. Solange kann ich nichts kommentieren", sagte der ukrainische Vertreter beim EGMR, Nasar Kultschizki, am Dienstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Die Ukraine kann eine Verweisung an die Große Kammer des Gerichtshofs beantragen.

Die Oppositionsführerin war im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft und umgerechnet 137 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Ihr wurde vorgeworfen, ein für die Ukraine nachteiliges Abkommen über Gaslieferungen aus Russland abgeschlossen zu haben. Timoschenkos Anwälte kritisierten, der Prozess sei politisch motiviert gewesen, um "die Hauptgegnerin des Präsidenten aus dem politischen Leben der Ukraine zu entfernen".

Das Urteil bedeutet nicht, dass Timoschenko aus der Haft freikommt. Die Umsetzung des Urteils ist Sache der Ukraine.

 plö/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EGMR verurteilt Ukraine im Fall Timoschenko: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8640 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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