Muslimische Mädchen müssen am schulischen Schwimmunterricht teilnehmen. Diese Verpflichtung beeinträchtigt zwar das Recht auf freie Religionsausübung. Es überwiegt aber das Interesse an sozialer Integration, entschied der EGMR.
Die Pflicht, am gemischten schulischen Schwimmunterricht teilzunehmen, gilt auch für muslimische Mädchen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden (Urt. v. 10.01.2017, Az. 29086/12). Zwar sei das Recht auf freie Religionsausübung beeinträchtigt. Für die Beeinträchtigung gebe es allerdings eine gesetzliche Grundlage und das legitime Ziel, ausländische Schüler vor der sozialen Ausgrenzung zu schützen. Ein Verstoß gegen das Menschenrecht der Religionsfreiheit liege daher nicht vor.
Geklagt hatte ein Ehepaar mit schweizerischer und türkischer Staatsbürgerschaft, das in Basel lebt. Die Eltern hatten sich aus religiösen Gründen geweigert, ihre 1999 and 2001 geboren Töchter am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen zu lassen. Die schweizer Behörden hatten ihnen schließlich Strafe in Höhe von bis zu 1000 Schweizer Franken pro Kind angedroht, falls sie ihrer Elternpflicht nicht nachkämen, die Mädchen zum Schulschwimmen zu schicken. Eine Befreiung von der Teilnahmepflicht sei erst möglich, wenn die Mädchen die Pubertät erreichen. Die Klagen der Eltern vor Schweizer Gerichten gegen die Teilnahmepflicht sowie die in der Folge verhängten Strafen blieben erfolglos.
Integration wichtiger als Religionsfreiheit
Der EGMR betonte in seiner Entscheidung die besondere Rolle der Schule an der sozialen Integration von Kindern, insbesondere solcher mit Migrationshintergrund. Kinder hätten ein Interesse an einer umfassenden Ausbildung, die ihr die erfolgreiche Integration auch in lokale Bräuche erleichtere. Dieses Interesse überwiege dasjenige der Eltern, ihre Töchter vom Schwimmunterreicht fern zu halten. Es gehe beim Schulschwimmen nicht nur darum, schwimmen zu lernen, sondern darüber hinaus auch darum, an gemeinsamen Aktivitäten mit den Mitschülern teilzunehmen, ohne dass die Herkunft der Eltern, deren Religion oder Überzeugungen eine besondere Rolle spielen.
Die Richter betonten, sie hätten berücksichtigt, dass die schweizer Behörden den Eltern Vorschläge gemacht hätten, um ihnen die Teilnahme ihrer Töchter am Schwimmunterricht zu erleichtern, wie etwa das Tragen eines Burkini. Die Behörden hätten ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt, indem sie der Pflicht zur umfassenden Teilnahme an den schulischen Pflichtveranstaltungen den Vorrang gegenüber dem privaten Interesse der Eltern eingeräumt haben.
Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte im Fall einer muslimischen Schülerin entschieden, dass eine Befreiung nicht nötig ist, wenn dem Mädchen das Tragen eines Burkinis ermöglicht wird.
Tanja Podolski, EGMR zu Religionsfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21720 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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