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EGMR billigt Präventivhaft: In den Knast statt zur Not-the-royal-Wed­ding-Party

von Tanja Podolski

28.03.2019

Royal Wedding Balcony

© John Pannell - flickr.com, CC BY-SA 2.0, Zuschnitt und Skalierung durch LTO.

Während William und Kate heirateten, verbrachten einige Briten mehrere Stunden in Polizeigewahrsam. Sie hatten an Zombie-Picknicks und ähnlichen Anti-Royal-Wedding-Events teilnehmen wollen. Die Inhaftierung war in Ordnung, so der EGMR.

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Dianas Sohn, seine Kate, Westminster Abbey, die Queen und dazu die sexy Schwester der Braut: Während am 29. April 2011 rund zwei Milliarden Menschen weltweit an den Fernsehbildschirmen zuschauten, als Prinz William und Kate sich das Ja-Wort gaben, verbrachten einige Briten diese Zeit im Gefängnis. Sie hatten eigentlich an Gegenveranstaltungen zur royalen Hochzeit teilnehmen wollen.

Die Ideen waren kreativ: Zwei Frauen wollten bei einem Zombie-Picknick mitmachen, bei dem sie - verkleidet als Zombies in Hochzeitskleidern – versuchen wollten, die königliche Prozession statt mit Konfetti mit Maden zu bewerfen. Andere wollten eine Protestveranstaltung am Trafalgar Square bzw. eine "Not the royal wedding"-Straßenparty besuchen. Dazu kam es indes nicht: Um – so argumentierten die Sicherheitsbehörden – die Gefahr von Landfriedensbruch zu umgehen, wurden die Menschen für zweieinhalb bis zu fünfeinhalb Stunden in Präventivhaft gesetzt. Die meisten der Betroffenen hatten keine Vorstrafen oder waren sonst polizeilich relevant in Erscheinung getreten.

Die Betroffenen wendeten sich gegen die Inhaftierungen vor den nationalen Gerichten und machten schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Verletzung ihres Rechts auf Freiheit und Sicherheit aus Art. 5 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend.

Seit 2013: EGMR billigt Unterbindungsgewahrsam

Die Richter am EGMR sahen eine solche Verletzung nicht (Entscheidung* v. 28.03.2019, Az. 57884/17 u.a.). Die nationalen Gerichte und zuletzt der britische Supreme Court hätten die betroffenen Rechtsgüter – das Recht auf Freiheit und Sicherheit gegenüber der Störung bzw. Gefahr für die öffentliche Sicherheit - in angemessener Weise gegeneinander abgewogen.

"Der EGMR bleibt damit auf der Linie seiner jüngeren Rechtsprechung", erklärt Dr. Benjamin Rusteberg, Akademischer Rat a.Z. am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Lange war umstritten, ob die rechtfertigende Norm des Art. 5 Abs. 1 c EMRK auch außerhalb eines Strafverfahrens auf eine allgemeine Präventivhaft, anwendbar ist.  Nach der 2. Alternative der Norm darf die Freiheit entzogen werden, wenn die Behörden die begründete Annahme haben, dass das notwendig ist, um einen Menschen an der Begehung einer Straftat zu hindern.

Noch 2013 in der Rechtssache Ostendorf vs. Germany (Urt. v. 07.03.2013, Az. 15598/08) war es lediglich das Minderheitenvotum gewesen, das in  Art. 5 Abs. 1 c EMRK eine Möglichkeit zur Rechtfertigung einer allgemeinen Präventivhaft gesehen hatte. Die Rechtfertigung einer rein präventiven Inhaftnahme war nach der mehrheitlichen Auffassung des Gerichts hingegen nur über die sehr viel strengeren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 b EMRK möglich gewesen, der den Verstoß gegen eine bereits konkretisierte Pflicht voraussetzt, wobei die allgemeine Pflicht, keine Straftaten zu begehen, hierfür gerade nicht ausreichen sollte.

"Wie bereits in der Vorgängerentscheidung (Urt. V. 22.10.2018, Az. 35553/12 u.a.) haben die Richter am EGMR das Instrument einer flexiblen Interpretation der EMRK nicht dazu genutzt, die Menschenrechte zu stärken, sondern um diese einzuschränken und die Polizeibefugnisse auf das als notwendig erachtete Maß auszuweiten", meint Rusteberg. "Der EGMR betonte in seiner Entscheidung* jedoch mehrfach die gründliche Auseinandersetzung der nationalen Gerichte mit den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, wonach auch ein objektiver Beobachter zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Beschwerdeführer nach aller Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes und nach den Umständen näher konkretisiertes Vergehen verübt hätten, wenn sie nicht in Haft genommen worden wären." Ob der EGMR etwa hingegen auch eine drohende Gefahr für die Freiheitsentziehung ausreichen lasse, bleibe demnach abzuwarten, so Rusteberg.

Bei der britischen Hochzeit waren die Sicherheitsbehörden von einer erheblichen Gefahrenlage ausgegangen. Etwa 25 Mio. Euro wurden für die Sicherheit aufgebracht, rund 5.000 Polizisten waren im Einsatz.

*Entscheidung statt Urteil, korrigiert am 29.03.2019, 10:10 Uhr

 

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EGMR billigt Präventivhaft: In den Knast statt zur Not-the-royal-Wedding-Party . In: Legal Tribune Online, 28.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34633/ (abgerufen am: 18.08.2022 )

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