EGMR verurteilt Spanien: Ab wann eine Poli­zei­maß­nahme "Folter" heißen darf

22.11.2018

Ein Demonstrant bezeichnete die Art, wie spanische Polizisten ihn behandelten als "Folter". Ein spanisches Gericht sah darin eine Verleumdung der Polizisten und verurteilte den Mann. Mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar, urteilte nun der EGMR.

Ein spanischer Demonstrant kettete sich im Rahmen einer Demonstration mit mehreren Teilnehmern an ein Rohr fest. Die Polizei versuchte die Protestler zu entfernen. Sie band ein Seil um die Hüften der Teilnehmer und drohte an, Tränengas zu verwenden. Nach einiger Zeit gab der Demonstrant freiwillig auf - bezeichnete das Vorgehen der Polizisten im Nachgang jedoch als "Folter".

Darin sah ein spanisches Gericht den Straftatbestand der Verleumdung erfüllt. Nach Ansicht der Richter, die dem Sachverhalt die strafrechtliche Definition des Begriffes "Folter" zugrundelegten, habe der Mann in Kenntnis der Unwahrheit die behördlichen Maßnahmen als solche bezeichnet. Die Polizei habe aber angemessen reagiert, um die Demonstranten zu entfernen, so das Gericht weiter.

Durch das Urteil verletzte das spanische Gericht jedoch die Menschenrechte des Mannes, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 20. November 2018 entschied (Beschw.-Nr. 26922/14). Die Äußerungen des Mannes seien als Werturteil zu verstehen, mit denen der Mann die behördliche Gewaltanwendung gegen ihn kritisieren wollte. Die Straßburger Richter befanden weiter, dass der Mann zu keinem Zeitpunkt den strafrechtlichen Folterbegriff im Sinn hatte, sondern den Begriff vielmehr umgangssprachlich nutzte, um der aus seiner Sicht übertriebenen Härte der polizeilichen Maßnahmen Ausdruck zu verleihen. Der EGMR hat außerdem berücksichtigt, dass eine durch das spanische Urteil verhängte Geldstrafe bzw. sogar Gefängnisstrafe einen "chilling effect" für den Mann haben könnte. 

Spanien muss dem Mann aufgrund der Menschenrechtsverletzung nun insgesamt 8.225 Euro zahlen.

tik/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EGMR verurteilt Spanien: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32271 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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