Das BMBF hat ein Eckpunktepapier zur geplanten Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes für befristete Arbeitsverträge wissenschaftlich Beschäftigter vorgestellt. Dies erntet viel Kritik, weil es bestehende Probleme noch verschärfe.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat am vergangenen Freitag ein Eckpunktepapier zu geplanten Reformen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) vorgelegt. Solche sieht der Koalitionsvertrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft vor. Berücksichtigt werden sollen ein bereits durchgeführter "Stakeholder-Prozess" sowie die Ergebnisse einer zum WissZeitVG vorgenommenen Evaluation. Für die nun veröffentlichten Vorschläge kassiert das BMBF andauernde, heftige Kritik.
Hintergrund ist das WissZeitG, das 2007 eingeführt und seitdem mehrmals geändert wurde, etwa durch eine Reform 2016. Es enthält von den arbeitsrechtlichen Vorschriften im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) abweichende Regelungen für befristete Arbeitsverträge für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Klagen von betroffenen Wissenschaftler:innen über Kettenbefristungen und schlechte Arbeitsbedingungen sind dennoch keine Seltenheit, schon vor den Freitag bekanntgewordenen Reformplänen gab es daran viel Kritik.
Neue Mindestvertragslaufzeiten und Höchstbefristungen
Das BMBF startet nun erneut einen Reformversuch. Wie schon bei der Reform 2016 soll es vor allem um verbesserte Planbarkeit wissenschaftlicher Laufbahnen gehen. Die am Freitag vorgestellten Neuerungen sehen insbesondere eine Soll-Vorschrift für die sogenannte Qualifizierungsphase vor der Promotion vor, wonach der erste geschlossene Arbeitsvertrag eine Mindestlaufzeit von drei Jahren haben soll. Bisher enthält das WissZeitG dazu keine Regelung. Der bisher bestehende Qualifizierungsbegriff soll in der Gesetzesbegründung näher konkretisiert werden.
Weiterhin sollen Beschäftigte in der sogenannten Postdoc-Phase, also nach der Promotion, nicht mehr - wie derzeit - für sechs Jahre angestellt werden dürfen, sondern nur noch für maximal drei Jahre. Für den ersten Arbeitsvertrag nach der Promotion soll die Mindestvertragslaufzeit dagegen zwei Jahre betragen. Damit will das Ministerium eigenen Angaben zufolge eine bessere Planbarkeit schaffen.
Für Arbeitsverhältnisse während des Studiums sieht das Eckpunktepapier des Ministeriums eine Anhebung der Höchstbefristungsdauer von sechs auf acht Jahre vor. Zudem schlägt es mittels Soll-Vorschrift eine Mindestvertragslaufzeit für eine studienbegleitende Beschäftigung von einem Jahr vor.
Darüber hinaus sollen die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Tarifpartner erweitert werden, beispielsweise durch die Möglichkeit zur Festlegung der Anzahl der Verträge in der Qualifizierungs- und Drittmittelbefristung.
Gewerkschaften sehen keine ausreichenden Änderungen
Wie auch bei der Reform 2016 ernteten die Pläne neben verhaltenem Lob überwiegend Kritik, teils sehr heftige.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), ver.di und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßten jeweils in ihren Pressemitteilungen die grundsätzliche Initiative zu den Reformen, sehen aber in den konkreten Vorschlägen noch einigen Änderungsbedarf.
So greife etwa die dreijährige Mindestvertragslaufzeit bei Promotionen zu kurz. Die Vereinigungen verwiesen unabhängig voneinander darauf, dass Promovierende in Deutschland im Durchschnitt etwa fünf Jahre benötigten. "Es muss verhindert werden, dass gerade in der Abschlussphase Arbeitslosigkeit und damit der Abbruch der Promotion drohen", äußerte sich Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Laut dem stellvertretenden GEW-Vorsitzenden Andreas Keller drohe die Vorgabe außerdem ins Leere zu laufen, solange als Sachgrund für eine Befristung nicht explizit die Promotion benannt werde. Er fordert eine präzise Definition des Qualifizierungsbegriffs.
Außerdem wird die Herabsenkung der Höchstbefristungsdauer auf drei Jahre in der Postdoc-Phase kritisiert. "Im Ergebnis würde der Druck auf Postdocs damit deutlich erhöht: Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssten sie drei Jahre früher auf die Straße setzen als heute, denn verbindliche Vorgaben für eine Entfristung danach fehlen in den Eckpunkten", so Keller. Vielmehr bräuchten Postdocs berechenbare Perspektiven für eine Dauerstelle. Auch laut ver.di fehlt eine klare Perspektive für eine dauerhafte Beschäftigung nach der erfolgreichen Promotion.
Einig sind sich die Vereinigungen auch dahingehend, was die Forderung nach uneingeschränkter Tariffreiheit angeht.
Hochschullehrer zeigen sich erschrocken von "Realitätsferne"
Darüber hinaus hat sich eine wachsende Gruppe verschiedener Professor:innen zusammengeschlossen und in einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme die Vorschläge des BMBF als "Verschlimmbesserung der bisherigen Situation" harsch kritisiert. Die jetzt schon kaum mehr zumutbaren Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an deutschen Hochschulen drohten, sich noch weiter zu verschlechtern.
In dem Eckpunktepapier seien die möglichen zwölf Jahre Beschäftigung auf einer etatmäßigen Stelle nun auf neun Jahre verkürzt worden, was eine deutliche "Realitätsferne" des Ministeriums offenbare. Auch sie kritisieren insbesondere die Herabsenkung in der Postdoc-Phase auf drei Jahre. Zudem sei die Anrechnung der stipendiengeförderten Promotionszeit auf die maximal mögliche Beschäftigungszeit auf Landesstellen als einer der umstrittensten Punkte unbeachtet geblieben.
Auch in den sozialen Medien ist die Diskussion erneut entflammt, die insbesondere auf Twitter bereits unter dem #IchBinHanna geführt wird. Von den Reaktionen gab sich das BMBF nicht unbeeindruckt: Am Sonntagabend twitterte der Parlamentarische Staatssekretär der Bundesbildungsministerin, Jens Brandenburg, dass die Diskussion sehr ernst genommen werde. Die Frage der Höchstdauer der Postdoc-Qualifizierungsbefristung solle vor Fertigstellung des Referentenentwurfs noch einmal debattiert werden. Eine Einladung zur Stellungnahme folge kurzfristig, so Brandenburg.
Eckpunktepapier des BMBF zum WissZeitVG in der Kritik: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51357 (abgerufen am: 07.10.2024 )
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