Christian Drosten erreichte Mitte März einen Teilerfolg: Das LG Hamburg verbot dem Physiker Roland Wiesendanger gewisse Aussagen. Doch der Virologe will weitere Aussagen verbieten lassen, die das LG als zulässige Meinungsäußerung einstuft.
Mit Beschluss vom 14. März 2022 hatte das LG Hamburg (LG) dem Physiker Roland Wiesendanger vier Aussagen über Christian Drosten verboten, unter anderem die Äußerung, der Virologe habe die Öffentlichkeit "gezielt getäuscht". LTO berichtete. Hintergrund ist ein Interview Wiesendangers im Cicero, indem der Physiker den Umgang von Drosten und anderen Virolog:innen mit der Laborthese über den Ursprung des Corona-Virus kritisiert.
Obwohl Drosten vor dem LG mit weiteren Verbotsanträgen scheiterte, sah sein Rechtsanwalt Gernot Lehr hiernach gegenüber LTO "keinen Grund für eine sofortige Beschwerde". Es sei vielmehr ein "weiterer Erfolg des Verfahrens", dass das LG Äußerungen wie "Unwahrheiten" und "Desinformationskampagne" als Meinungsäußerungen eingestuft hätte. Meinungsäußerungen sind im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen nicht auf ihre Wahrheit überprüfbar.
Offenbar war Christian Drosten jedoch anderer Ansicht - oder Lehr selbst dachte um. Jedenfalls hat Drosten gegen die Entscheidung des LG, soweit sie gegen ihn ergangen ist, dann doch sofortige Beschwerde vor dem LG Hamburg eingereicht. Mit Beschluss vom 31. März 2022, der LTO vorliegt, entschied das LG, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
Scharfe, aber zulässige Wertungen
Laut Begründung hält die Kammer daran fest, dass es sich bei den von Wiesendanger verwendeten Begriffen "Desinformationskampagne" und "Unwahrheiten" im Kontext der Berichterstattung um scharfe, aber zulässige Wertungen im wissenschaftlichen Meinungskampf handelt. Auch einen neu gestellten Hilfsantrag wies das LG zurück. Drosten begehrte, Wiesendanger darin zu untersagen, mit verschiedenen Aussagen den Eindruck zu erwecken, dass Drosten an einer Vertuschungsaktion bzw. -kampagne im Hinblick auf die Laborthese beteiligt sei. Doch auch insofern läge eine zugespitzte, aber eben zulässige Meinungsäußerung vor, so das LG.
Dass ein Gericht seine vorherige Entscheidung über eine Rechtsfrage nach einer sofortigen Beschwerde korrigiert, kommt sehr selten vor. Die Beschwerde zielt vor allem darauf ab, dass die höhere Instanz sich mit der Sache beschäftigt. Im konkreten Fall wird nun das OLG Hamburg die Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt.
Mündliche Verhandlung im Mai
Wiesendanger hat, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucas Brost, ebenfalls Rechtsmittel gegen die Entscheidung des LG eingelegt. Diese wendet sich insbesondere gegen das Verbot der Äußerung, Drosten habe die Öffentlichkeit "gezielt getäuscht". Nach Auffassung von Brost ist die Äußerung – entgegen der Entscheidung des LG – zulässig, da Drosten Mitautor eines Artikels sei, in dem die Laborthese als Verschwörungstheorie bezeichnet wurde, obwohl die Teilnehmer einer Telefonkonferenz, die nur wenige Tage vor Publikation des Artikels stattfand, die Laborthese für möglich hielten.
Als Rechtsmittel gegen eine Unterlassungsverfügung sieht die Zivilprozessordnung keine sofortige Beschwerde, sondern das Rechtsmittel des Widerspruchs vor, das - im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren - eine mündliche Verhandlung verlangt. Nach LTO-Informationen hat das LG Hamburg den mündlichen Verhandlungstermin auf den 20. Mai 2022 festgelegt.
Dort wird dann allein über die bislang vom LG stattgegebenen Äußerungsverbote verhandelt, über die nicht zugesprochenen Verbote entscheidet das OLG schriftlich im Beschwerdeverfahren. Mit einer Entscheidung des OLG ist in den kommenden Wochen zu rechnen.
LG Hamburg zum Äußerungsstreit mit Wiesendanger: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48038 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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