Der dritte Prozesstag im Verfahren gegen Björn Höcke ist schnell zu Ende. Die Staatsanwaltschaft stellt weitere Beweisanträge, die Verteidigung argumentiert dagegen. Am nächsten Verhandlungstag wird wahrscheinlich das Urteil fallen.
Bis zum nächsten Verhandlungstag am 14. Mai 2024 hat die 5. Strafkammer des Landgerichts (LG) Halle noch viel zu tun. Für diesen Tag wird das Urteil im Strafverfahren gegen den AfD-Politiker Björn Höcke erwartet. In diesem Prozess geht es um das Verwenden von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gemäß §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) Doch zuvor muss das Gericht über zahlreiche Beweisanträge entscheiden, die die Staatsanwaltschaft am Freitag gestellt hat.
Höcke wird vorgeworfen, bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung im Mai 2021 die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP "Alles für Deutschland!" verwendet zu haben. Er behauptete in seiner Einlassung am zweiten Verfahrenstag, er habe nicht gewusst, dass es sich um eine verbotene Parole handele.
Kann man Geschehen in Gera in Strafzumessung einbeziehen?
Die Staatsanwaltschaft beantragte am Freitag insbesondere die Inaugenscheinnahme des Videos von dem Vorfall in Gera, wegen dem eine weitere Anklage gegen Höcke am LG Halle anhängig ist. Die Aufnahme soll Höcke bei einer Rede im Dezember 2023 zeigen, in der er erneut zu der verbotenen Parole angesetzt ("Alles für…") und sie durch eine Armbewegung vom Publikum beenden lässt ("Deutschland"). Dies soll laut Staatsanwaltschaft als Nachtatverhalten gem. § 46 Abs. 1, 2 Strafgesetzbuch (StGB) in die Strafzumessung einbezogen werden.
Dem stellte sich Verteidiger Philip Müller mit dem Argument entgegen, es handele sich bei einem solchen Vorgehen um einen evidenten Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot. Es müsse in einem eigenen Verfahren geklärt werden, ob es sich bei dem Geschehen in Gera um eine eigene Straftat oder ein strafbares Nachtatverhalten handelt. Das Doppelverwertungsverbot gem. § 46 Abs. 3 StGB besagt, dass Tatbestandsmerkmale, welche die Strafbarkeit begründen, nicht nochmals bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden dürfen.
Staatsanwalt nimmt Antrag auf Verfahrensverbindung zurück
Das Verfahren wegen des Vorfalls in Gera wurde zunächst zu diesem Prozess hinzuverbunden und schließlich aufgrund eines kurzfristigen Verteidigerwechsels wieder abgetrennt. Der Staatsanwalt beantragte daraufhin, die beiden Verfahren nach ausreichender Akten-Einlesezeit wieder zu verbinden. Diesen Antrag nahm er am Freitag aus "prozessökomischen Gründen" zurück. Hintergrund ist, dass Höcke einer erneuten Verbindung der Verfahren zustimmen müsste, um am gegenwärtigen Stand des Prozesses anschließen zu können, so Dr. Adina Kessler-Jensch, die Pressesprecherin des LG Halle. Tut er dies nicht, müsse mit der Hauptverhandlung erneut begonnen werden. Höcke hatte bereits erklärt, er sei mit einer Verbindung nicht einverstanden. Das Verfahren sei jedoch bereits zu weit fortgeschritten für einen Abbruch und erneuten Beginn, daher stehe der Aspekt der Prozessökonomie einer Verbindung entgegen, erklärt sie weiter.
Zudem beantragte der Staatsanwalt die Inaugenscheinnahme weiterer Videos. Etwa eines, das Höcke beim Skandieren bei einem Aufmarsch in Dresden zeigt, an dem auch NPD-Mitglieder teilnahmen. Dies soll das Gericht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bei der Strafzumessung für die aus der Tat sprechende Gesinnung gem. § 46 Abs. 1, 2 StGB berücksichtigen.
Weiterhin sollen im Hinblick auf Höckes mediale Reichweite und Vorbildfunktion verschiedene Screenshots in Augenschein genommen werden, die Höckes Follower-Zahlen in den sozialen Medien dokumentieren und zeigen, dass sich die Junge Alternative in Thüringen "Höcke-Jugend" nenne. Ferner sei die verbotene Parole "Alles für Deutschland" 146 mal in Kommentaren zu dem Video verwendet worden. Dies verdeutliche den "Nachahmer-Effekt", Höcke habe die Parole wiederbelebt und salonfähig gemacht. Dem entgegnet Verteidiger Müller, es habe keinerlei nennenswerte Reaktionen gegeben, nur durch das Strafverfahren sei die Parole bei der breiten Bevölkerung in Erinnerung gerufen worden.
Vorsitzender: Viel Zeit für nächsten Termin einplanen
Bis zum nächsten Verhandlungstag am 14. Mai 2024 sollen zahlreiche Dokumente im Selbstleseverfahren gelesen werden. Der Vorsitzende kündigt an, er habe für diesen Termin viel Zeit eingeplant. Laut Pressesprecherin des LG Halle lässt dies darauf schließen, dass nach den Entscheidungen über die Beweisanträge und gegebenenfalls weiterer Beweisaufnahme selbige geschlossen werden wird.
Dann seien die Plädoyers zu erwarten und am Ende des Tages werde wohl das Urteil verkündet.
Strafverfahren wegen verbotener SA-Parole: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54483 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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