Aufatmen beim VfL Bochum: Nach einem Feuerzeugwurf auf seinen Torhüter beim Auswärtsspiel bei Union Berlin bleibt der von der Vorinstanz gewertete 2:0-Sieg des Revierklubs bestehen. Nach 90 Minuten war die Partie 1:1 ausgegangen.
Das Bundesgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat die Berufungen der Bundesligisten 1. FC Union Berlin, Holstein Kiel und des FC St. Pauli gegen ein Urteil des DFB-Sportgerichts zugunsten des abstiegsgefährdeten VfL Bochum zurückgewiesen. Während die Berufungen von Kiel und St.Pauli vom Gericht bereits am Freitagnachmittag als unzulässig verworfen worden waren, scheiterte am Abend auch Union Berlin mit seinem Rechtsmittel.
Zuvor hatte das Sportgericht das am 14. Dezember 2024 ausgetragene Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem VfL Bochum mit 2:0 Toren für Bochum als gewonnen gewertet und damit dem Einspruch des VfL gegen die Spielwertung stattgegeben. Abgepfiffen worden war Partie noch beim Stand von 1:1.
Der VfL Bochum hatte Einspruch gegen das Remis eingelegt, nachdem Torhüter Patrick Drewes wenige Minuten vor Abpfiff des Spiels in der Nachspielzeit aus dem Zuschauerbereich von einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden war und daraufhin nicht mehr weiterspielen konnte. Die Partie war nach dem Vorfall und der folgenden längeren Unterbrechung durch Schiedsrichter Martin Petersen beim Spielstand von 1:1 ohne Drewes fortgesetzt und anschließend auch beendet worden. Da Bochum zum Zeitpunkt der Spielfortsetzung sein Auswechselkontingent bereits ausgeschöpft hatte, ging Angreifer Philipp Hofmann kurzzeitig ins Tor.
Der Werfer des Feuerzeugs wurde durch Videoaufzeichnungen ermittelt und noch während des Spiels identifiziert und der Polizei übergeben. Union Berlin schloss den 27-Jährigen aus dem Verein aus und verhängte ein bundesweites Stadionverbot für drei Jahre. Das ist die längstmögliche Dauer für ein solches Verbot. Dazu gab es Strafanzeigen gegen den Werfer wegen Hausfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung.
Faktischer Spielabbruch?
Juristischer Knackpunkt des Verfahrens war, ob die Partie überhaupt im Sinne der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (DFB-VO) "abgebrochen" worden war. Bei Spielabbruch sieht § 18 Nr.4 der DFB-VO vor: "Trifft eine Mannschaft oder ihren Verein […] ein Verschulden an dem Spielabbruch, so ist das Spiel dem oder den Schuldigen mit 0:2 Toren für verloren, dem Unschuldigen mit 2:0 Toren für gewonnen zu werten."
Schiedsrichter Petersen hatte die Partie nach dem Feuerzeugwurf jedoch in der Nachspielzeit nur unterbrochen. Beide Vereine spielten nach Wiederanpfiff einvernehmlich ohne sportlichen Ehrgeiz und auf Ergebnissicherung bedacht bis zum Schlusspfiff weiter. Der Vorsitzende der Vorinstanz Stephan Oberholz hatte dies zugunsten der Bochumer als "Quasi-Spielabbruch" beurteilt. Bochum bekam die Punkte letztlich zugesprochen, weil Berlin für den Werfer aus der Union-Fankurve auf Grundlage von § 9a der DFB-VO verantwortlich ist – ohne dass dem Verein und seinem Ordnungsdienst dabei ein eigenes Verschulden nachgewiesen werden muss.
Wie das Sportgericht sah es nun auch das DFB-Bundesgericht unter Vorsitz von Oskar Riedmeyer, einem gelernten Fachanwalt für Verkehrsrecht aus München. Riedmeyer erklärte: "Für das Bundesgericht des DFB hat eine Schwächung des VfL Bochum vorgelegen, welche durch den Feuerzeugwurf eines Mitglieds von Union Berlin herbeigeführt wurde. Dieses Verschulden wird Union Berlin zugerechnet."
Riedmeyer weiter: "Wir gehen davon aus, dass ein erfolgreicher Einspruch nach § 17 der Rechts- und Verfahrensordnung zu einer Punkteumwertung oder einem Wiederholungsspiel führen kann. Allerdings darf eine von außen verursachte Verletzung eines gegnerischen Spielers nicht dazu führen, dass der Verursacher daraus einen möglichen Vorteil durch ein Wiederholungsspiel ziehen kann."
Berufungen von Holstein Kiel und FC St. Pauli unzulässig
Gegen das erstinstanzliche Urteil hatten neben dem unmittelbar betroffenen Verein Union Berlin auch Holstein Kiel und der FC St. Pauli Berufung beim DFB-Bundesgericht eingelegt. Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sieht in § 26 Nr. 2 eine solche Konstellation vor unter der Voraussetzung, dass die Betroffenen ein "unmittelbares berechtigtes Interesse an der Entscheidung nachweisen". Kiel und St. Pauli verwiesen hier auf die Konkurrenzsituation im Abstiegskampf der Bundesliga.
Dieser Argumentation folgte das Bundesgericht jedoch nicht und verwarf die Berufungen beider Klubs als unzulässig. "Eine Berufung wäre nur zulässig, wenn der Verein in seinen Rechten direkt betroffen wäre. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn er selbst Punkte abgezogen und zugesprochen bekäme – oder wenn von der Entscheidung ein abschließender Tabellenplatz abhängen würde", so Bundesrichter Riedmeyer laut DFB.
Der FC St. Pauli erklärte daraufhin, er könne dieser Argumentation nicht folgen. Man werde gegebenenfalls weitere rechtliche Schritte prüfen, so der Verein auf seiner Website. "Es ist noch gar nicht absehbar, ob von der Entscheidung ein abschließender Tabellenplatz abhängt. Dies wird erst am Ende der Saison feststehen. Es würde sich außerdem die Anschlussfrage stellen, ab welchem Zeitpunkt der Saison eine Berufung denn zulässig wäre. Das ist mit dem Charakter eines Rechtsbehelfs nicht vereinbar. Die in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB enthaltenen Regelungen müssen über klare Voraussetzungen verfügen."
Wie das Sportmagazin Kicker ergänzend berichtet, erklärte Bochums Anwalt Christoph Schickhardt in die Richtung der Rechtsvertretung von Kiel und St. Pauli: "Hören Sie auf mit Moral und sportlicher Integrität - Ihnen geht es doch nur um die Punkte."
Bochum klettert in der Tabelle - Union zieht vors Schiedsgericht
Nach der Entscheidung des Bundesgerichts klettert der VfL Bochum nun um einen Platz in der Bundesligatabelle auf den Relegationsplatz 16. Am letzten Spieltag empfängt dann ausgerechnet St. Pauli den VfL Bochum, die beiden Teams trennen im Abstiegskampf aktuell nur noch vier Zähler.
Die Sportgerichtsbarkeit im DFB ist die Streitentscheidung innerhalb des Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern auf der Grundlage der Regelwerke des DFB. Organe der Sportgerichtsbarkeit des DFB sind der Kontrollausschuss als Anklagebehörde, das DFB-Sportgericht als Ausgangsinstanz und das DFB-Bundesgericht als Rechtsmittelinstanz. Innerhalb der Sportgerichtsbarkeit des DFB können die Mitglieder des DFB belangt werden, wenn sie gegen die verbandseigenen Regelwerke verstoßen haben.
Union kündigte an, gegen die Entscheidung des Bundesgerichts das Ständige Neutrale Schiedsgericht anzurufen. "Wir waren heute Zeuge eines Verfahrens, in dem erstmalig das Fehlverhalten eines Zuschauers zu einer Spielumwertung geführt hat. Und das trotz einer ordnungsgemäßen Beendigung des Spiels durch den Schiedsrichter", erklärte Union-Präsident Dirk Zingler am Freitag. "Die Schaffung dieses Präzedenzfalls war aus unserer Sicht Ziel des Kontrollausschusses. Das Gericht ist vom VfL Bochum und vom Kontrollausschuss aufgefordert worden, ein politisches Signal zu senden. Dies war nur möglich unter fehlerhafter Anwendung der Rechts- und Verfahrensordnung. Wir sind daher gezwungen, dem politischen Druck zu entgehen und werden das Ständige Schiedsgericht anrufen", so Zingler weiter.*
Mit Material von dpa
*Anmerkung: Die Information wurde nachträglich (2.03.2025, 11:42 Uhr) ergänzt.
DFB-Bundesgericht urteilt zugunsten des VfL Bochum: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56704 (abgerufen am: 19.04.2025 )
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