Der Berufsverband der Richter und Staatsanwälte begrüßt die Initiative Schleswig-Holsteins, große Jugendkammer in der ersten und in der Berufungsinstanz mit drei Berufsrichtern zu besetzen. Erstmals bekenne sich eine Landesregierung dazu, die anerkannten Vorzüge einer Dreierbesetzung in der Hauptverhandlung nicht hinter fiskalische Belange zurück zu stellen.
Die Strafverfahren gegen Jugendliche / Heranwachsende vor der großen Strafkammer befassen sich regelmäßig mit dem Vorwurf schwerer Straftaten. Deren Aufklärung weise häufig beweis- und verfahrensrechtliche Probleme auf, so der Deutsche Richterbund.
Darüber hinaus aber sei das Jugendstrafrecht in besonderer Weise dem Erziehungsgedanken verpflichtet. Es müsse sich deutlich intensiver mit der Person des Angeklagten und der für ihn angemessenen Sanktion im Fall seiner Verurteilung befassen.
Intensive Auseinandersetzung mit den Angeklagten
Dafür müsse in den Jugendkammern aber nicht nur besonderer pädagogischer, kriminologischer und sozialwissenschaftlicher Sachverstand vertreten sein. Das Verfahren müsse auch den Raum lassen, diesen Sachverstand anwenden zu können, ohne dass die Schnelligkeit des Verfahrens und die Gründlichkeit der Tataufklärung darunter leiden.
Die Besetzung mit drei Berufsrichtern mit der Möglichkeit einer breiteren Aufgabenverteilung kommt diesen Anforderungen nach Ansicht des Berufsverbands entgegen. Diese Konstellation erlaube es zudem, junge richterliche Kolleginnen und Kollegen in einer mit zwei weiteren erfahrenen Richtern besetzten Kammer fortzubilden.
Komplexe Verfahren
Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Christoph Frank hält "die generelle Dreierbesetzung der großen Jugendkammer [...] aufgrund der Komplexität eines jugendstrafrechtlichen Verfahrens" für geboten. "Die dadurch mögliche bessere Befassung mit dem Tatgeschehen, dem jungen Angeklagten und der erzieherisch gebotenen und wirksamen Sanktion kommt dem Angeklagten und der Gesellschaft zu Gute. Eine Kammer, deren Besetzung mit drei Richtern eine bessere Aufgabenverteilung in der Hauptverhandlung erlaubt, erhöht die Treffsicherheit bei der Suche nach der richtigen erzieherischen Reaktion. Dies vermeidet Rückfälle und neue Straftaten, deren volkswirtschaftliche Kosten die mögliche fiskalische Mehrbelastung der Justizhaushalte durch die generelle Dreierbesetzung mehr als ausgleicht."
tko/LTO-Redaktion
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Deutscher Richterbund: . In: Legal Tribune Online, 21.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4358 (abgerufen am: 16.09.2024 )
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