Bei der Demonstration gegen das geplante NRW-Versammlungsgesetz hat die Polizei laut Innennminister Reul zu Fehler gemacht, viele der Vorwürfe seien aber falsch. Die Debatte im Landtag über das umstrittene Gesetz ging indes weiter.
Der umstrittene Polizeieinsatz bei einer Demonstration gegen das geplante Versammlungsgesetz ist laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) nicht fehlerfrei gewesen. Gewalt sei aber von vermummten Demonstranten ausgegangen und viele Vorwürfe gegen die Polizei seien schlicht falsch.
Bei der Demonstration mit rund 3.000 Teilnehmern am vergangenen Wochenende in Düsseldorf war es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Die Veranstalter der Demonstration hatten noch am Montag versichert, die Eskalation sei von der Polizei ausgegangen. Bis auf das Zünden weniger Rauchpatronen seien die Demonstranten friedlich gewesen.
Dazu äußerte sich Reul am Donnerstag im Landtag. Verbesserungsfähig sei der Umgang mit 38 Minderjährigen gewesen, die mehrere Stunden lang von der Polizei mit eingeschlossen worden seien. Es habe "zu lange gedauert", bis die Minderjährigen ins Polizeipräsidium gebracht und ihre Eltern informiert worden seien, sagte Reul. Dieser Vorwurf sei "berechtigt".
Verletzte auf Seiten der Polizei und der Demonstranten
Zudem habe es ein Problem bei der Versorgung der 328 Eingeschlossenen mit Toiletten gegeben. Die damit beauftragte Privatfirma habe die bestellten Toiletten nicht geliefert.
Die eingekesselten Demonstranten seien aber entgegen der Darstellung der Veranstalter sehr wohl mit Wasser versorgt worden. 600 Flaschen habe man bereitgestellt. Auch die medizinische Versorgung sei sichergestellt gewesen und nicht - wie behauptet - verweigert worden.
Bei dem Einsatz seien vier Polizisten verletzt worden. Auf Seiten der Demonstranten seien ebenfalls vier Personen in Krankenhäuser gebracht worden, eine Person vor Ort behandelt worden. Die Krankenhäuser hätten nach einer Polizeiabfrage von zwei weiteren ambulanten Behandlungen berichtet. Die Veranstalter hatten behauptet, es seien 80 bis 100 Demonstranten verletzt worden.
Rund 40 Ermittlungsverfahren eingeleitet
Polizisten seien angegriffen, geschlagen und getreten worden. Im sogenannten Antifa-Block hätten sich Demonstranten mit Sonnenbrillen, Schals und Kapuzen vermummt. Außerdem sei der Polizei die Sicht mit Regenschirmen und Bannern genommen worden, berichtete Reul.
Laut Innenministerium wurden 39 Ermittlungsverfahren im Zuge der Demonstration eingeleitet, darunter seien neun wegen Körperverletzung, sechs wegen Landfriedensbruchs, vier wegen Widerstands gegen und fünf wegen Angriffen auf Polizisten.
Reul erklärte, der Demozug sei in der Altstadt zum Stoppen gekommen, wo drei Polizisten ein Gebäude bewacht hätten. Diese seien mit Straßenabsperrungen beworfen und mit Fahnenstangen geschlagen worden. Die Polizisten hätten "Panik bekommen" und Verstärkung angefordert. Dann sei eine Polizeikette gebildet worden, die nach vorn ging.
Staatsanwaltschaft werde Schlägen und Tritten gegen Journalisten nachgehen
In diesem Moment sei ein dpa-Fotograf zwischen die Fronten geraten. "Für mich war er klar als Fotograf und Journalist erkennbar. Ich hätte mir gewünscht, die Beamten hätten einen Bogen drum gemacht", sagte Reul.
Der Fotograf war bei der Demo am Samstag nach eigenen Angaben von einem Beamten mehrfach mit einem Schlagstock geschlagen worden. Im Polizeibericht war das Vorgehen des Beamten als "Abdrängen" beschrieben worden. Reul sagte, ob er geschlagen oder abgedrängt wurde, werde nun die Staatsanwaltschaft klären. Die Polizei habe von sich aus ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet.
"Drei Schläge gegen Journalisten sind drei Schläge zu viel gegen die demokratische Grundordnung in diesem Land", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Er habe auch mit einem Jugendlichen gesprochen, der eingekesselt war, nicht ausreichend versorgt worden und schließlich kollabiert sei. "Man darf Minderjährige nicht fünf Stunden lang einkesseln in diesem Land", kritisierte Kutschaty.
Vorwurf: VersG verbietet Gegendemonstrationen
"Sie sind der Innenminister des Landes, tragen Sie die Verantwortung", sagte der SPD-Abgeordnete Sven Wolf. Die Strategie der Deeskalation der NRW-Polizei habe sich bei Demonstrationen bewährt, dann aber habe Reul einen "robusten Einsatz" gefordert und damit Unklarheit geschaffen. "Sie wollen Gegendemonstrationen verbieten", sagte Wolf zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Reul wies dies als "total falsch" zurück.
Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sagte, der Gesetzentwurf für ein Versammlungsgesetz, gegen den am Samstag demonstriert worden war, sei schärfer als das bayerische Versammlungsgesetz. "Nehmen sie diesen Entwurf zurück, er ist schlecht für unser Land", forderte sie.
CDU-Fraktionsvize Gregor Golland (CDU) sagte, die Gewalt sei am Samstag von Linksextremisten ausgegangen. Das neue Versammlungsgesetz werde gebraucht gegen diejenigen, die das Versammlungsrecht für Hetze und Gewalt missbrauchten.
Die Linke kündigt Klage gegen Polizeieinsatz an
Für die AfD sagte der Abgeordnete Roger Beckamp, SPD und Grüne seien "der parlamentarische Arm dieser Krawallgruppen". Die FDP deutete Änderungen am Gesetzentwurf der Landesregierung an. "Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie es eingebracht wurde", sagte der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke.
Die nicht im Landtag vertretene Partei Die Linke kündigte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf an: Man werde gerichtlich feststellen lassen, dass der völlig aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen sei, erklärte die Partei.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Nach Demonstration gegen neues Versammlungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45365 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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