Debatte um Wehrpflicht: Reser­vis­ten­ver­band hält Frei­wil­lig­keit nicht für aus­rei­chend

23.10.2025

Die Bundesregierung ringt seit Tagen mit sich: Brauchen wir doch eine Wehrpflicht, um den Personalbedarf der Bundeswehr zu decken? Der Reservistenverband und das Beispiel Norwegen könnten die Entscheidungsfindung hierzulande beeinflussen.

Der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr (VdRBw), Patrick Sensburg, erwartet mit dem geplanten Wehrdienstgesetz einen starken Zustrom von Freiwilligen zur Bundeswehr – hält aber trotzdem eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht für nötig. "Ich rechne damit, dass wir viel mehr freiwillige Bewerbungen kriegen werden, als wir glauben. Wir reden von bis zu 40.000 Freiwilligen, die wir aus über 600.000 Männern und Frauen eines Jahrgangs gewinnen müssen. Ich wette, die kriegen wir", sagte Sensburg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Sensburgs Aussage fällt damit im Kontext der aktuell laufenden Debatte um Änderungen am bestehenden Wehrdienstmodell. Zum Jahreswechsel soll ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten, das auf Freiwilligkeit der jungen Deutschen setzt, doch die Bundesregierung zankt derzeit heftig: Welche Mechanismen sollen greifen, wenn sich zur Erreichung der NATO-Zielvorgaben – der Bundeswehr fehlen hierfür rund 80.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten – nicht genügend Freiwillige melden? 

Besonders gestritten wurde jüngst über eine mögliche Wehrpflicht per Losverfahren, wobei sich sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diesbezüglich kritisch äußerte. Dabei wird auch immer wieder die Frage diskutiert, ob auch Frauen von einer möglichen Wehrpflicht erfasst werden sollen. Bisher wäre das nur nach einer Grundgesetzänderung möglich

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ließ sich kürzlich von seinem norwegischen Amtskollegen, Tore Sandvik (ebenfalls Sozialdemokrat), die Vorzüge der dort vor zehn Jahren eingeführten Wehrpflicht für Männer und Frauen erklären. "Die Qualität ist besser, weil der Wettbewerb höher ist", sagte er zur Wehrpflicht für beide Geschlechter. Dabei wähle sein Land unter der Jugend aber nur den kleineren Teil aus. "Wir können jeden mobilisieren, aber wir nehmen nur ein Sechstel", sagte Sandvik. Und: "Die Frauen in Norwegen, sie lieben ihr Land so, wie es die Männer tun. Für uns ist es ein Win-Win." Sandvik betont auch die daraus resultierenden Vorzüge für die Reserve. Hier müsste Deutschland zur Erfüllung der NATO-Vorgaben signifikant aufstocken – etwa 200.000 weitere beordete Reservisten bräuchte es dafür.

"Das klingt jetzt brutal…"

Insoweit sieht VdRBw-Präsident Sensburg die geplante Freiwilligkeit kritisch. "Nur für die Reserve, also eine wehrhafte Zivilbevölkerung, wird es [mit der Freiwilligkeit; Anm. d. Red.] dauerhaft nicht reichen. Deshalb wird es auf Dauer ohne Wiedereinsetzung der Wehrpflicht nicht gehen", sagte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete weiter. Zur Einordnung: Wer den Grundwehrdienst absolviert hat, zählt automatisch als Reservist. 

Sensburg verwies zudem auf den möglichen Kriegsfall. "Das klingt jetzt brutal, ich weiß: Aber nach Berechnungen der Bundeswehr werden im Kriegsfall pro Tag 1.000 Soldaten an der Front sterben oder so schwer verwundet sein, dass sie nicht mehr kämpfen können. Die müssen ersetzt werden, und zwar auch maßgeblich durch Reservistinnen und Reservisten." 

Die Wehrpflicht ist seit 2011 ausgesetzt. Schon jetzt ist absehbar, dass die Freiwilligen nicht ausreichen werden, den Personalbedarf zu decken, selbst wenn sich tatsächlich so viele finden lassen sollten, wie Sensburg annimmt. Seine Einschätzung und die Erfahrungen mit der Wehrpflicht in Norwegen könnten noch Einfluss auf die Debatte hierzulande über die mögliche Wehrpflicht nehmen.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Debatte um Wehrpflicht: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58442 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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