Menschenrechte in China: Bür­ger­rechts­an­walt zu zwölf Jahren Haft ver­ur­teilt

22.09.2016

Er verteidigte Ai Weiwei sowie prominente Menschenrechtsanwälte und Aktivisten. Jetzt landet Xia Lin selbst hinter Gittern. Wegen Betrugs, heißt es. Kritiker sprechen von einem Racheakt.

In der Verfolgungswelle gegen Menschenrechtsanwälte und Aktivisten ist in China ein Bürgerrechtsanwalt zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Peking befand am Donnerstag den 46-Jährigen Xia Lin des Betrugs für schuldig, wie sein Anwalt Wang Zhenyu der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Menschenrechtler kritisierten das Urteil scharf. Xia Lin habe sich nichts zuschulden kommen lassen und sei wegen seiner Arbeit an heiklen Fällen ins Fadenkreuz der chinesischen Behörden geraten. "Dieses Urteil ist eine schwere Vergeltung gegen einen Verfechter der Menschenrechte, der die Rechtsstaatlichkeit verteidigt und die Regierung herausforderte", erklärte die Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) nach dem Urteil. Die Behörden hätten grundlegende Prozessrechte des Angeklagten verletzt, beklagte CHRD und forderte seine bedingungslose Freilassung.

Aus dem Urteil geht hervor, dass Xia Lin von mehreren Personen und Firmen Geld geliehen und veruntreut haben soll. Laut CHRD habe sich der Anwalt lediglich von Freunden Geld geliehen, die gegen ihn zu keinem Zeitpunkt Betrugsvorwürfe erhoben hätten.

China geht gegen kritische Stimmen vor

Erstmals festgenommen wurde Xia Lin vor zwei Jahren, als er damit begonnen hatte, Sympathisanten der Hongkonger Demokratiebewegung in China zu vertreten. Xia Lin war ebenfalls an der Verteidigung des bekannten Menschenrechtsanwalts Pu Zhiqiang beteiligt, der wegen regimekritischer Äußerungen über den twitterähnlichen chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo im vergangenen Jahr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und zuvor 18 Monaten im Untersuchungsgefängnis gesessen hatte.

Auch gehörte Xia Lin zu den Anwälten, die den Künstler Ai Weiwei sowie den prominenten Aktivisten Guo Yushan verteidigten, der vor drei Jahren dem blinden Bürgerrechtler Chen Guangcheng bei seiner spektakulären Flucht aus dem Hausarrest aus einem Dorf in Ostchina in die US-Botschaft in Peking geholfen hatte. Der Vorfall löste eine diplomatische Krise zwischen China und den USA aus.

Xia Lins Verurteilung folgt auf eine ganze Reihe von Prozessen gegen kritische Stimmen in China. Allein im August waren innerhalb einer Woche vier Aktivisten und Menschenrechtsanwälte zu Bewährungs- und teilweise auch langen Haftstrafen verurteilt worden. Unter den Verurteilten war unter anderem der bekannte Bürgerrechtsanwalt Zhou Shifeng.

Sie alle wurden seit rund einem Jahr festgehalten, als die Sicherheitsbehörden zum Schlag gegen inzwischen mehr als 300 Bürgerrechtsanwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Aktivisten und deren Angehörige ausholten. Von ihnen sind laut Menschenrechtlern derzeit noch knapp zwei Dutzend in Haft. Der Deutsche Anwaltverein hatte im Januar die Zustände und Festnahmen in China massiv kritisiert.

dpa/nas/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Menschenrechte in China: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20651 (abgerufen am: 05.10.2024 )

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