Justizministerin Hubig stellt klar: Deutschland wird bei der geplanten EU-Chatkontrolle nicht mitziehen. Was bedeutet das für WhatsApp & Co.? Und wie geht es jetzt in Brüssel weiter?
Im Streit um die sogenannte Chatkontrolle zur Bekämpfung von Kinderpornografie hat sich das Bundesjustizministerium (BMJV) gegen einen auf EU-Ebene diskutierten Vorschlag ausgesprochen. "Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein", sagte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) dazu am Mittwoch.
Private Kommunikation dürfe nie unter Generalverdacht stehen und der Staat dürfe Messenger auch nicht dazu zwingen, Nachrichten vor Versendung massenhaft auf verdächtige Inhalte zu scannen. "Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen", fügte Hubig hinzu. Die Ministerin weiter: "Wir müssen beim Kampf gegen Kinderpornografie auch auf EU-Ebene vorankommen. Dafür setze ich mich ein. Aber auch die schlimmsten Verbrechen rechtfertigen keine Preisgabe elementarer Bürgerrechte. Darauf habe in den Abstimmungen der Bundesregierung seit Monaten beharrt. Und dabei wird es bleiben".
Beratungen zwischen Mitgliedstaaten am Abend
Die EU-Mitgliedstaaten beraten am Mittwochabend auf Botschafterebene über einen Vorschlag zur Chatkontrolle. Das seit Jahren umstrittene Gesetzesvorhaben sieht vor, dass Behörden Nachrichten und Fotos bei Messengern wie WhatsApp, Signal und Co. auf kinderpornografische Inhalte durchsuchen können sollen – und zwar bevor sie verschlüsselt werden. Der Vorschlag kommt aus dem sozialdemokratisch regierten Dänemark, welches aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne hat.
Zeichnet sich eine Einigung ab, könnten die zuständigen Minister der Länder darüber Anfang nächster Woche abstimmen. Allerdings fallen Stimmen bevölkerungsreicher Länder wie Deutschland schwer ins Gewicht und sind somit entscheidend. In den vergangenen Wochen war unklar, wie sich die Bundesregierung zu dem Thema positionieren würde.
Kritik von DAV, Jens Spahn und WhatsApp
Unter anderem der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte zuvor an die Bundesregierung appelliert, "weiterhin Rückgrat zu zeigen" und gegen den dänischen Vorschlag zu stimmen. "Auch berechtigte Anliegen – wie den Kinderschutz – können wir nicht mit Maßnahmen verfolgen, die gegen die Grundprinzipien des Rechtsstaats verstoßen", mahnt Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, DAV-Hauptgeschäftsführerin. "Die Chatkontrolle wäre das digitale Pendant zu einem Postamt, in dem jeder versandte Brief geöffnet und kontrolliert wird", so Ruge weiter.
Ganz ähnlich äußerte sich am Dienstagabend auch Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU). "Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist", so Spahn mit Blick auf eine laufende Debatte auf EU-Ebene. "Das geht nicht, das wird es mit uns nicht geben."
Auch der zu Meta gehörende Messengerdienst WhatsApp äußerte sich kritisch zur Chatkontrolle. "Trotz gegenteiliger Behauptungen untergräbt der neueste Vorschlag der Ratspräsidentschaft der EU nach wie vor die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und gefährdet die Privatsphäre, Freiheit und digitale Sicherheit aller", sagte eine Meta-Sprecherin dem Portal Netzpolitik.org. Ähnlich sehen es die Messengerdienste Threema und Signal. Signal-Chefin Whittaker hatte die Pläne als Versuch bewertet, eine Hintertür in die Messenger einzubauen. "Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung garantiert die Privatsphäre von Millionen und Abermillionen von Menschen auf der ganzen Welt, oft auch in lebensbedrohlichen Situationen."
Wie die millionenfach genutzten Messengerdienste gegebenenfalls reagieren würden, wenn die EU so einer Regelung zustimmen würde, und ob sie sich gar aus der EU zurückziehen würden, ließen sie ausdrücklich offen.
Mitgliedstaaten finden seit Jahren keinen Kompromiss
Die EU berät seit drei Jahren über die entsprechenden Regeln. Mehrere Ratspräsidenten scheiterten bereits beim Versuch, einen Kompromiss zu finden, dem genügend Mitgliedstaaten zustimmen.
Findet sich doch noch eine Mehrheit für den Vorschlag, bräuchte es noch eine Einigung mit dem Europäischen Parlament. Das sieht eine mögliche Chatkontrolle aber quer durch alle politischen Lager äußerst kritisch und wollte den ursprünglichen Vorschlag damals entschärfen, was zum jetzigen neuen Vorschlag aus Dänemark geführt hat.
dpa/jb/LTO-Redaktion
EU-Botschafter beraten am Abend: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58335 (abgerufen am: 18.11.2025 )
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