Eigentlich hatte CDU-Chef Merz angekündigt, nach einer gewonnenen Bundestagswahl die Teil-Legalisierung von Cannabis zurückzunehmen. Ob sich die SPD darauf einlässt? Maßgeblich dürfte wohl die Evaluierung des Gesetzes werden.
Im Wahlkampf war CDU-Chef Merz kürzlich gefragt worden, ob "Bubatz" legal bleibe. Er konnte mit dem Slang-Begriff für Cannabis wenig anfangen und fragte amüsiert zurück: "Was ist Bubatz?". Als es ihm erklärt wurde, wiederholte er die altbekannte Union-Programmlage. Nach einem Wahlsieg müsse die Rechtslage "korrigiert" werden.
Ob der designierte Kanzler mit einem Koalitionspartner SPD dieses Ziel gelingen wird? Aus der Union kommen inzwischen Signale, dass es angesichts einer verschärften Sicherheitslage oder einer massiven Wirtschaftskrise wichtigere Themen gibt. Ein bisschen klingt es sogar so, als ob die Union bei dem Thema bereits den Rückzug angetreten hat.
Thorsten Frei (CDU): "Cannabis kein Schwerpunkt-Thema"
So antwortete kürzlich der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) auf eine Frage zu Cannabis auf der Plattform abgeordnetenwatch.de: "Ob wir eine Veränderung erreichen können, werden die vor uns liegenden Gespräche zeigen (…) Fakt ist aber auch, dass unsere Schwerpunkte im Bereich wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Beendigung der illegalen Migration, Zielgenauigkeit des Sozialstaats und Stärkung der äußeren Sicherheit liegt." Das seien die zentralen Themen, bei denen die Menschen Entschiedenheit, Lösungen und Veränderungen erwarteten, so Frei. Frei ist einer der neun Unionsvertreter, die derzeit mit der SPD die neue Koalition sondieren.
Unterdessen bemühen sich trotz dieser Signale andere Politiker aus der Union, das Thema weiter "am Kochen" zu halten. "Als Union werden wir alles daransetzen, die negativen Auswirkungen der Cannabislegalisierung zu stoppen, Drogenkriminalität zu bekämpfen und den Jugendschutz zu stärken", sagt der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings der Deutschen Presse-Agentur.
Mantramäßig bekräftigt auch der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge die Unions-Position: Das Cannabisgesetz der Ampel sei "ein gefährlicher Irrweg" und müsse "rückgängig gemacht werden". Wie genau eine Lösung am Ende aussehe, werde letztendlich von der künftigen Regierungskonstellation abhängen, sagt der CDU-Politiker mit Blick auf die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD. Neue Studienergebnisse aus Kanada zeigten einen besorgniserregenden Anstieg von Psychosen nach der dort erfolgten Legalisierung von Cannabis. Diese Ergebnisse dürften nicht ignoriert werden. Gleichzeitig betonte er, eine gute Versorgung von Patienten mit Medizinalcannabis müsse auch weiterhin sichergestellt werden.
Erster Evaluierungsbericht im Oktober
Und die SPD? Auch wenn es in ihren Reihen viele Legalisierungs-Skeptiker gibt: Dass die Sozialdemokraten ein Gesetz aus der Ampel-Zeit, dass immerhin ihr eigener Gesundheitsminister federführend ausgearbeitet hat, rückabwickeln wird, scheint unrealistisch.
Wie LTO kürzlich berichtet hatte, könnte daher alles auf einen Kompromiss zwischen Union und SPD hinauslaufen. Dieser könnte sogar dazu führen könnte, dass die geltende Rechtslage unangetastet bleibt. Das Stichwort lautet: Evaluierung. "Ein Kompromiss könnte sein, dass man die Dinge nicht weiterverfolgt, sondern im Bestand einfriert bis zur Evaluation", so CDU-Rechtspolitiker Axel Müller seinerzeit.
Hintergrund ist, dass im Cannabisgesetz eine Evaluierung der kontrollierten Weitergabe von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken an Erwachsene innerhalb von vier Jahren vorgesehen ist, inklusive Zwischenbericht nach zwei Jahren sowie einer ersten Evaluation 18 Monate nach Inkrafttreten. Mit einem ersten Bericht ist daher zum 1. Oktober 2025 zu rechnen.
Ampel argumentierte mit Entlastung der Polizei
Seit April vergangenen Jahres ist in Deutschland der nicht medizinische Cannabiskonsum für Volljährige mit zahlreichen Beschränkungen legal. Erlaubt ist der Anbau von bis zu drei Pflanzen in Privatwohnungen. Aufbewahren darf man bis zu 50 Gramm Cannabis. Zudem ist es nicht-kommerziellen "Anbauvereinigungen" mit Lizenz erlaubt, gemeinschaftlich Cannabis für den eigenen Konsum anzubauen. Die einstige Koalition von SPD, Grünen und FDP hat mit der Reform vier wesentliche Ziele verfolgt:
• Die kontrollierte Abgabe von Cannabis mit einem bekannten Wirkungsgrad und ohne giftige Beimengungen soll die Gesundheit der Konsumenten schützen.
• Strenge Altersgrenzen und THC-Beschränkungen sollen Minderjährige und junge Erwachsene vor den psychischen, physischen und sozialen Auswirkungen des Cannabiskonsums bewahren.
• Durch eine Enttabuisierung soll Prävention erleichtert werden.
• Außerdem erhoffte man sich eine Eindämmung des Schwarzmarkts durch legale Alternativen.
Für Unionspolitiker Krings ist jetzt schon klar, dass diese Ziele verfehlt wurden. Er sagt: "Durch die Legalisierung wurde lediglich der Schwarzmarkt ausgeweitet und die Justiz und Polizei stark belastet.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht trotz der Entkriminalisierung in Bezug auf Erwachsene in der Summe keinen Entlastungseffekt für die Polizei. Sie verweist auf den Kontrollaufwand durch die Überwachungen von Konsum-Verbotszonen, wie sie in einigen Kommunen dauerhaft oder temporär - etwa bei Volksfesten - eingerichtet werden sowie auf verstärkte Kontrollen im Straßenverkehr.
Höhere Nachfrage und größere Mengen?
Auch von einer erfolgreichen Eindämmung des Schwarzmarkts mag Alexander Poitz, Kriminalbeamter und stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender, nicht sprechen. Er sagt: "Gestiegene Nachfrage, neue Zielgruppen, größere Mengen, Preise, Verfügbarkeit und Konsumtouristen stärken eher kriminelle Strukturen als sie zu schwächen." Auch eine Unterwanderung der Anbauvereine sei zu befürchten.
Denn der Verkauf von Cannabis bleibt strafbar. “Unsere Kolleginnen und Kollegen haben vermehrt Sachverhalte im Zusammenhang mit Cannabis im öffentlichen als auch privaten Raum sowie im Straßenverkehr festgestellt”, berichtet Poitz. Aktuelle Daten lägen zwar bislang nicht vor, es sei aber zu vermuten, dass auch die Menge an beschlagnahmten Cannabis für das Jahr 2024 zugenommen hat.
Die Reform komplett zu beerdigen, wäre aus seiner Sicht aber der falsche Weg, sagt der GdP-Vize. Denkbar wäre etwa, anstelle von Eigenanbau und Anbauvereinen den Verkauf in ausgewählten Abgabestellen zu ermöglichen. "Dadurch wären zumindest eine gewisse Verantwortung sowie die Kontrolle staatlicher Institutionen als auch steuerrechtliche Vorteile abzuleiten", sagt er.
Verkauf in Modellregionen
Möglich ist dies schon jetzt über die sogenannte Modellregionen-Regelung. Hier ist Hannover vorn, wo das Vorhaben von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover medizinisch und wissenschaftlich begleitet wird.
Überlegungen beziehungsweise Vorbereitungen gibt es auch in Münster, Köln, Düsseldorf und Frankfurt am Main. In Frankfurt sollen registrierte Probanden in eigens errichteten Fachgeschäften fünf Jahre lang legal Cannabisblüten und andere THC-haltige Produkte kaufen können.
"Das Gesetz ist noch nicht ausgereift", findet Stefanie Grün. Die Polizeihauptkommissarin aus Rheinland-Pfalz ist Mitglied im GdP-Fachausschuss Schutzpolizei und hat langjährige Erfahrung mit Drogenkontrollen im Verkehr. Wenn sie und ihre Kollegen jemanden anhalten, der durch sein Fahrverhalten auffällt und dann auch noch undeutlich spricht oder erweiterte Pupillen hat, bieten sie einen Drogenschnelltest an.
Speicheltest oder Urintest
Praktisch sei das aber nicht mit so einem Urintest, sagt Grün. Den Männern mache es meist nichts aus, hinter einem Busch in einen Becher zu urinieren, angenehm sei das aber für alle Beteiligten nicht. Mit Frauen müsse man ohnehin zu einer Toilette fahren, etwa an der nächstgelegenen Tankstelle.
Fällt der Test positiv aus, ist ohnehin eine Fahrt zur Polizeidienststelle nötig - für einen Bluttest. Denn erlaubt sind am Steuer maximal 3,5 Nanogramm THC. Auf das Ergebnis des Tests warte man dann sechs Wochen, der Verwaltungsaufwand sei hoch, beklagt die Polizistin. Sie würde sich deshalb für die Kontrollen am Straßenrand Speicheltests wünschen, wie sie nach Auskunft von Kollegen in zwei Bundesländern bereits im Gebrauch seien.
Richtervereinigung warnt vor Rücknahme des Gesetzes
Aus Sicht des Bundesinnenministeriums ist es noch zu früh, die Folgen der Reform zu bilanzieren. Eine Sprecherin teilt auf Nachfrage mit, noch ließen sich keine grundsätzlichen Feststellungen zu Auswirkungen der geänderten Rechtslage auf die Arbeit des Bundeskriminalamts und die Organisierte Kriminalität treffen. Auch das Ministerium verweist auf die Ergebnisse der bevorstehenden Evaluierung.
Vor einer Rücknahme des CanG im Sinne der Union warnte kürzlich auch die neue Richtervereinigung (NRV). Wenn Anbau und Konsum von Cannabis wieder komplett untersagt würden, käme das einer Enteignung der Cannabis-Clubs gleich, so Simon Pschorr, Staatsanwalt und Sprecher der Fachgruppe Strafrecht gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Damit könnten die Clubs gegenüber dem Staat Entschädigungsansprüche geltend machen." Da Investitionen beim Cannabis-Anbau hoch seien und die Lizenzen laut Gesetz für sieben Jahre galten, rechnet Pschorr mit Beträgen in "nicht unerheblicher Höhe".
Staatsanwalt Pschorr berichtete außerdem von sehr guten Erfahrungen der Praxis mit dem Gesetz. "Bei allen Herausforderungen, die mit der Amnestie verbunden waren und die man nicht kleinreden darf, ist die Entlastung der Justiz nicht unerheblich." Ein Zurückdrehen, so der Jurist, würde bedeuten, dass die Justiz wieder in großem Maße die kleinen Konsumenten verfolgen muss.
Mit Material von dpa
Sicherheitspolitik und Wirtschaftskrise prioritär: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56715 (abgerufen am: 22.04.2025 )
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