Laut österreichischer Rechtsanwaltsordnung ist ein Teil der Anwaltsausbildung zwingend im Inland zu absolvieren. Das ist nicht unionsrechtskonform, so der EuGH. Eine Juristin, die in Deutschland im österreichischen Recht arbeitet, siegte nun.
In Österreich müssen angehende Anwälte einen Großteil ihrer Ausbildung im Land absolvieren – selbst wenn sie bei einem österreichischen Anwalt im EU-Ausland ebenso gut ausgebildet werden könnten. Das sieht § 2 Abs. 2 der österreichischen Rechtsanwaltsordnung (RAO) vor. Diese Regelung verstoße gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun klargestellt (Urt. v. 03.04.2025, C-807/23).
Der Fall nahm seinen Anfang bei einer Juristin, die ihre praktische Ausbildung in der Kanzlei Jones Day in Frankfurt am Main absolviert. Dort wurde sie von einem österreichischen Anwalt ausgebildet, der auch in Österreich zugelassen war. So weit, so gut. Doch die Rechtsanwaltskammer Wien lehnte es ab, die Frau als Rechtsanwaltsanwärterin zu registrieren, mit der Begründung, dass nach § 2 Abs. 2 RAO mindestens drei Jahre der Ausbildung bei einem Anwalt in Österreich stattfinden müssten.
Die Frau zog vor Gericht. Ihr Argument: Sie habe nachweislich ausschließlich im österreichischen Recht gearbeitet – und zwar nicht nur theoretisch. Ihr Ausbildungsanwalt sei ihr in allen Fragen des österreichischen Rechts weisungsbefugt gewesen, sie habe zudem regelmäßig österreichische Mandanten vor heimischen Behörden und Gerichten vertreten.
Der Fall landete letztlich beim obersten Gerichtshof Österreichs. Dieser schaltete nun den EuGH ein. Die zentrale Frage: Verstößt die österreichische Regelung in der RAO gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die in Art. 45 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert ist?
EuGH sieht Einschränkung der Freizügigkeit
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein zentrales Recht der EU. Sie besagt, dass jeder EU-Bürger das Recht hat, in einem anderen EU-Staat zu arbeiten, ohne dabei diskriminiert oder benachteiligt zu werden. Dazu gehört auch, dass Arbeitsmärkte innerhalb der Union geöffnet sind und nicht durch nationale Vorschriften unnötig behindert werden dürfen. Das Ziel ist es, ein echtes "Europäisches Arbeitsumfeld" zu schaffen, in dem Fachkräfte ihren Beruf überall in der Union ausüben können, ohne auf diskriminierende oder unfaire Beschränkungen zu stoßen.
Der EuGH entschied nun, dass eine Regelung, die verlangt, dass ein Teil der praktischen Ausbildung zwingend im Inland erfolgt, gegen dieses Recht verstößt. Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern werde dadurch unnötig eingeschränkt. Zwar könne Österreich durchaus ein Interesse daran haben, dass angehende Anwälte im Land ausreichend mit dem nationalen Rechtssystem vertraut werden. Doch die starren Vorgaben zur Inlandsausbildung waren aus Sicht des EuGH einfach zu viel des Guten und damit nicht das einzig mögliche Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Der EuGH ließ in seiner Entscheidung durchblicken, dass mildere Maßnahmen denkbar seien, wie etwa das Verlangen eines Nachweises darüber, dass die Ausbildung im Ausland vergleichbar mit der heimischen ist.
xp/LTO-Redaktion
EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56932 (abgerufen am: 29.04.2025 )
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