Seine Dissertation war kein Plagiat. Spätere Experimente des Physikers Jan Hendrik Schön aber basierten auf manipulierten und gefälschten Daten. Die Uni Konstanz erkannt ihm deshalb 2004 den Doktortitel wegen Unwürdigkeit ab. Eine Entscheidung, die das BVerwG am Mittwoch bestätigte.
Karl-Theodor zu Guttenberg verlor seinen Doktor, weil seine Dissertation in weiten Teilen ein Plagiat war. Auch bei Annette Schavan und Norbert Lammert geht es aktuell um Fehler in ihren Dissertationen. Dem bekannten Physiker Schön warf die Universität dagegen vor, sich während seiner späteren wissenschaftlichen Karriere eines Doktors unwürdig verhalten zu haben.
Die Uni berief sich dabei auf § 35 Abs. 7 des baden-württembergischen Landeshochschulgesetzes (LHG). Danach kann die Hochschule einen Titel entziehen, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Um die Auslegung des Begriffs der "Unwürdigkeit" ging es in dem Gerichtsverfahren, das es am Mittwoch bis vor das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) schaffte.
Regelung diente Nazis zur Ausschaltung jüdischer Akademiker
Das Verwaltungsgericht Freiburg hielt das Merkmal erst dann für erfüllt, wenn der Titelinhaber eine von der Allgemeinheit besonders missbilligte vorsätzliche Straftat begangen hat (Urt. v. 22.09.2010, Az. 1 K 2248/09). Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) legte den Begriff dagegen wissenschaftsbezogen aus – danach ist eines Titels unwürdig, wer gravierend gegen die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis verstößt und damit das durch die Verleihung des Titels begründete Vertrauen enttäuscht (Urt. v. 14.09.2011, Az. 9 S 2667/10).
Da es sich um eine landesrechtliche Vorschrift handelt, war das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) an diese Auslegung des VGH gebunden, die dem Schutz des wissenschaftlichen Prozesses dienen soll. In Leipzig ging es daher nur noch um die Frage, ob der Begriff in dieser Auslegung dem Bestimmtheitsgrundsatz entspricht.
Die obersten Verwaltungsrichter haben das bejaht, auch weil der VGH vorsätzliche und grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten gefordert hatte wie Erfindungen, Fälschungen oder Manipulationen. In dieser Auslegung sei die Vorschrift auch mit der Wissenschafts- und Berufsfreiheit sowie dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar (BVerwG, Urt. v. 31.07.2013, Az. 6 C 9.12).
Die Vereinbarkeit solcher Regelungen mit dem Grundgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits 1988 festgestellt (Beschl. v. 30.11.1988, Az. 1 BvR 900/88). Entsprechende Vorschriften sollen zwar während des Nationalsozialismus mit dem Motiv geschaffen und genutzt worden sein, jüdische Akademiker auszuschalten. Das BVerfG wies allerdings darauf hin, dass es ähnliche Gesetze schon vor dieser Zeit gegeben habe.
cko/LTO-Redaktion
BVerwG bestätigt Titelentzug: . In: Legal Tribune Online, 01.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9264 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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