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BVerwG zu Cannabis: Ermessensreduktion auf Null: Behörde muss Eige­n­anbau zu The­ra­pie­zwe­cken erlauben

06.04.2016

Cannabisanbau (Symbolbild)

© openrangestock - Fotolia.com

Liegen die Voraussetzungen für den privaten Anbau von Cannabis zur medikamentösen Behandlung vor, ist das Bundesamt für Arzneimittel verpflichtet, dies zu erlauben. Der Behörde stehe dann kein Ermessen zu, entschied das BVerwG.

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Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) muss den privaten Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken erlauben, wenn der Erkrankte die nötigen Voraussetzungen erfüllt. Der Behörde steht dann kein Ermessen zu, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch und verpflichtete das BfArM dazu, einem 52-Jährigen den Anbau zur Sicherstellung seiner medizinischen Versorgung zu erlauben (Urt. v. 06.04.2016, Az. 3 C 10.14).

Damit entschieden die höchsten Verwaltungsrichter erstmals zu der Frage, wann der Anbau von Cannabis auch Privaten zu gestatten ist. Der an Multipler Sklerose leidende Kläger kämpft bereits seit mehreren Jahren für die hierfür notwendige Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Denn die Symptome seiner Erkrankung behandelt er bereits seit 1987 durch die regelmäßige Einnahme der Droge, die er unabhängig von dem nun entschiedenen Rechtsstreit anbaut. Ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren wegen illegalen Besitzes und Anbaus habe 2005 mit einem Freispruch geendet, da die Tat aufgrund seiner Krankheit als gerechtfertigt angesehen worden war, teilte das BVerwG mit. Dennoch bemüht sich der Mann seit jeher um die offizielle Erlaubnis vom BfArM.

Vorinstanz sah lediglich Ermessensfehler

Dieses hatte die Erlaubnis mit der Begründung verweigert, dass der Betroffene insbesondere nicht gewährleisten könne, dass das Anbauprodukt an unbefugte Dritte gelangen könne. In den Vorinstanzen hatte der Mann mit seiner Klage gegen die Ablehnung seines Antrags auf Eigenanbau allerdings auch nur teilweise Erfolg. Zwar hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschieden, dass die Entscheidung des BfArM ermessensfehlerhaft gewesen sei. Es hatte die Behörde allerdings nur dazu verpflichtet, erneut über die Sache zu entscheiden. Die Berufung des Patienten vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen blieb dann gänzlich erfolglos.

Nun aber verpflichtete das BVerwG in Leipzig die Behörde, dem Mann die beantragte Erlaubnis zu erteilen. Nach § 3 Abs. 2 BtMG darf diese nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilt werden. Letzteres sahen die Richter hier als gegeben an, da nach den Feststellungen des OVG NRW, an welche das BVerwG gebunden war, die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung der Beschwerden führe und jedenfalls ein gleichsam wirksames und zugleich erschwingliches Medikament nicht zur Verfügung stehe.

Insbesondere komme hier der erlaubnispflichtige Erwerb von Hanf aus der Apotheke aus Kostengründen nicht als Alternative in Betracht. Denn die Krankenkasse des Mannes habe die Übernahme dieser Kosten mehrfach abgelehnt. Und eine Eigenfinanzierung sei dem Mann, der eine Erwerbsminderungsrente beziehe, nicht möglich, so die Entscheidung. Es bestehe zwar die Möglichkeit, die Krankenkassen auf Übernahme zu verklagen. Eine solche Klage sei dem Mann aber "unter den gegebenen Umständen" nicht zumutbar, heißt es.

BVerwG: Ermessen der Behörde auf Null reduziert

Die gesetzlich geregelten Versagungsgründe aus § 5 BtMG lägen auch nicht vor, denn nach den vorgerichtlichen Erkenntnissen sei die nötige Sicherheit und Kontrolle des Anbaus gewährleistet, so die Leipziger Richter. Zudem sei nichts dafür ersichtlich, dass der Erkrankte die Droge missbräuchlich verwenden könnte. Er verfüge stattdessen aufgrund jahrelanger Eigentherapie inzwischen über umfassende Erfahrung hinsichtlich der Wirksamkeit und der zu beachtenden Dosierung der von ihm angebauten Cannabissorte.

Anders als die Vorinstanzen, die noch davon ausgegangen waren, dem BfArM stünde auch bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen noch ein Ermessen zu, befanden die Leipziger Richter nun, dass eine Ermessensreduzierung auf Null eintrete. Demnach ist die Behörde nach Auffassung des Gerichts verpflichtet gewesen, die Erlaubnis zu erteilen.

una/LTO-Redaktion

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BVerwG zu Cannabis: Ermessensreduktion auf Null: . In: Legal Tribune Online, 06.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18996 (abgerufen am: 23.05.2025 )

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