Eine kommunale Eigengesellschaft ist nach einer Entscheidung des BVerwG nicht "Dritter" im Sinne des § 124 Abs. 1 BauGB und unterliegt damit den Beschränkungen des Beitragsrechts bei der Erschließung eines Neubaugebiets.
Das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat am Mittwoch entschieden, dass eine kommunale Eigengesellschaft, also eine Gesellschaft des Privatrechts, die von der Gemeinde ganz oder mehrheitlich beherrscht wird, nicht "Dritter" im Sinne von § 124 Abs. 1 BauGB sein kann.
Hintergrund der Entscheidung ist eine Klage von privaten Grundstückserwerbern, die Abschlagszahlungen an die Gemeinde für Erschließungskosten zurückforderten, weil sie teilweise ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Die Gemeinde hatte die Erschließung eines Neubaugebiets vertraglich auf die beklagte Erschließungsgesellschaft – eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin die beigeladene Gemeinde ist – übertragen. Die Erschließungskosten sollten auf die Eigentümer der unbebauten Grundstücke umgelegt werden. Die Käufer verpflichteten sich im Kaufvertrag, in den Erschließungsvertrag einzutreten und leisteten entsprechende Zahlungen.
Das BVerwG hat der Klage entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen stattgegeben, da der Erschließungsvertrag nichtig sei.
Kosten, die einer Gemeinde durch die Erschließung von Grundstücken im Gemeindegebiet entstanden sind, könne diese zwar teilweise über Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff. BauGB von den Grundstückseigentümern zurückfordern. Zehn Prozent des beitragsfähigen Aufwandes müsse die Gemeinde jedoch selbst tragen.
Möglich ist nach Auffassung des Gerichts aber auch die Übertragung der Erschließung auf einen privaten Erschließungsträger, der die Kosten auf die Käufer der Grundstücke abwälzen kann und dabei von den Einschränkungen des Beitragsrechts befreit ist. Der Verzicht auf diese beitragsrechtlichen Einschränkungen sei aber allein dadurch zu rechtfertigen, dass das Interesse eines Investors zur Übernahme der Erschließung regelmäßig nur dann bestehe, wenn die Erschließung wegen besonders hoher Nachfrage eine über den beitragsrechtlichen Erschließungsvorteil hinausgehende allgemeine Wertsteigerung der Grundstücke erwarten lässt.
Die Konstellation einer gemeindlichen Eigengesellschaft sei damit jedoch nicht vergleichbar, da es praktisch und wirtschaftlich darauf hinauslaufe, dass die Gemeinden "im Mantel eines Privaten" die Erschließungskosten auf die Käufer abwälzen könnten, ohne den Begrenzungen des Beitragsrechts zu unterliegen, so die Leipziger Richter.
Der Erschließungsvertrag sei außerdem auch deshalb nichtig, weil die Gemeinde sich darin umfangreiche Befugnisse vorbehalten hatte, die praktisch auf ein unbeschränktes Recht zur Selbstvornahme hinausliefen, so dass von einer "Übertragung" im Sinne des § 124 Abs. 1 BauGB gar nicht die Rede sein könne (BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, Az. 9 C 8.09).
BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 02.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2072 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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