Seit 2012 gibt es in Nordrhein-Westfalen islamischen Religionsunterricht - durch eine Übergangslösung. Einigen Islamverbänden reicht das nicht. Sie bekommen jetzt eine neue Chance, ihre Forderungen vor Gericht durchzusetzen.
Der Streit um islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen geht in eine neue Runde. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster muss erneut prüfen, ob der Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Islamrat Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes sind und Anspruch auf Religionsunterricht nach ihren Grundsätzen haben. Bislang hat das OVG dies verneint. Ein entsprechendes Urteil von 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) kurz vor Weihnachten nun aufgehoben und den Fall zurück nach Münster verwiesen (Beschl.v. 20.12.2018, Az. 6 B 94.18).
In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits seit 2012 islamischen Religionsunterricht als reguläres Schulfach. Allerdings nur durch eine Übergangsregelung, die Ende dieses Schuljahres ausläuft. Die Landesregierung arbeite "bereits intensiv an der Zukunft des islamischen Religionsunterrichts", teilte eine Sprecherin des Schulministeriums am Donnerstag mit. Bis zum Ende des Schuljahres solle geklärt werden, "auf welcher Grundlage zukünftig islamischer Religionsunterricht angeboten werden kann", fügte sie hinzu. Für die Landesregierung sei es entscheidend, "den islamischen Religionsunterricht weiter auszubauen".
Islamischer Religionsunterricht wird derzeit an rund 250 Schulen in Nordrhein-Westfalen erteilt. Daran nehmen etwa 20.000 Schüler teil. Das ist aber nur ein kleiner Teil der islamischen Schüler in NRW. Ihre Zahl hatte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) Anfang des Schuljahres mit etwa 400.000 angegeben. An der Auswahl der Lehrpläne und Lehrbücher sowie an der Erteilung der Lehrerlaubnis an die Lehrer ist ein vom Schulministerium berufener Beirat beteiligt. In ihm sind auch der Zentralrat und der Islamrat vertreten. Diese Regelung läuft am 31. Juli 2019 aus.
Der ZMD und der Islamrat wollen erreichen, dass Islamverbände beim Religionsunterricht die gleichen Rechte erhalten wie etwa die katholische und die evangelische Kirche. In dem Streit vor Gericht geht es unter anderem um die Frage, ob die Dachverbände über Kompetenz und Autorität in Fragen der religiösen Lehre verfügen. Dies hatte das OVG verneint.
Leipziger Richter: OVG hat BVerwG-Vorgaben ignoriert
Das BVerwG hielt den Münsteraner Richtern in seiner Entscheidung vor, "tragende rechtliche Erwägungen" des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts aus einem früheren Urteil (v. 23.02.2005, Az. 6 C 2.04) nicht hinreichend beachtet zu haben. Die Eigenschaft als Religionsgemeinschaft sei nicht von einem verbindlichen Lehramt in religiösen Fragen abhängig, betonte das BVerwG erneut. Das OVG müsse deshalb genauer klären, ob es sich bei Zentralrat und Islamrat um Religionsgemeinschaften handele.
Schulministerin Gebauer hatte im September im Schulausschuss des Landtags gesagt, die Einführung des islamischen Religionsunterrichts sei "ein richtiger und wichtiger Schritt gewesen". Die Schüler könnten sich in dem Unterricht "kritisch mit der Geschichte und der Tradition ihres eigenen Glaubens auseinandersetzen". Der Religionsunterricht könne "Treiber für eine weltoffene Interpretation des Islams sein".
ZMD und Islamrat begrüßten die Entscheidung des BVerwG. "Es ist an der Zeit, dass die Politik die Entscheidung für einen verfassungskonformen islamischen Religionsunterricht trifft und diese nicht den Gerichten überlässt", sagte der ZMD-Landesvorsitzende Samir Bouiss in einer Mitteilung. Der Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici, betonte: "Muslimischen Eltern und ihre Kindern ist es wichtig, dass der Religionsunterricht von islamischen Religionsgemeinschaften verantwortet wird."
hs/dpa/LTO-Redaktion
BVerwG rüffelt OVG NRW: . In: Legal Tribune Online, 27.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32931 (abgerufen am: 01.12.2024 )
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