Jahrelang beschäftigt die Dresdner Waldschlößchenbrücke die Justiz. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Planfeststellungsbeschluss zum Bau der Brücke rechtswidrig war. Das Bauwerk bleibt dennoch stehen.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am Freitag den Planfeststellungsbeschluss der Landesdirektion Sachsen vom 25. Februar 2004 in der Gestalt verschiedener Änderungsbescheide für den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden für rechtswidrig erklärt (Urt. v. 15.07.2016, Az. 9 C 3.16).
Unklar war der Fall Waldschlößchenbrücke vor allem deswegen, weil das Projekt bereits im Februar 2004 geplant und genehmigt worden war - also zu einem Zeitpunkt, als der Bauort noch nicht als sogenanntes Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung besonders geschützt war. Diese Einstufung im Rahmen der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) erfolgte erst Ende 2004. Mit den Bauarbeiten wiederum wurde erst Ende 2007 begonnen, fertig ist die Brücke seit 2013. Dem Dresdner Elbtal wurde 2009 der fünf Jahre zuvor verliehene Welterbetitel aberkannt, weil die Waldschlößchenbrücke aus Sicht des Unesco-Welterbekomitees das Landschaftsbild dramatisch veränderte.
Projekt fällt unter Verschlechterungsverbot
Der Kläger ist der in Sachsen anerkannter Naturschutzverein "Grüne Liga". Er hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss im April 2004 Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Dresden erhoben. Einen zugleich gestellten Antrag auf Eilrechtsschutz hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) im November 2007 unter Auflagen für den Fledermausschutz endgültig abgelehnt. In der Folge wurde das Bauwerk zwischen Ende 2007 und 2013 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Parallel zu den Bauarbeiten und dem laufenden Klageverfahren nahm die Landesdirektion Dresden mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2008 eine Neubewertung der FFH-Verträglichkeit vor. Diese führte nunmehr zur Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung und damit zu einer Ausnahmezulassung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie.
Das VG Dresden wies die Klage im Oktober 2008 ab. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde der Planfeststellungsbeschluss im Jahre 2010 erneut unter Inanspruchnahme einer Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie geändert. Im Dezember 2011 hatte dann das Sächsische OVG die Berufung des Naturschutzvereins zurückgewiesen. Der Verein rügt mit seiner Revision Verfahrensverstöße des OVGs sowie Verstöße des Planfeststellungsbeschlusses gegen das Naturschutzrecht, insbesondere das FFH- und das Vogelschutzrecht.
Das BVerwG hatte das Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im März 2014 ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verschiedene Fragen zur FFH-Richtlinie vorgelegt. Der Gerichtshof hatte Anfang dieses Jahres über die Vorlage entschieden. Dabei hatte er klargestellt, dass die Ausführung eines Projekts, das - wie im vorliegenden Fall - vor einer Gebietsausweisung genehmigt wurde, nach der Gebietslistung unter das sogenannte Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie fällt. Ein solches Projekt dürfe nur dann fortgesetzt werden, wenn eine Verschlechterung der Lebensräume und eine Störung von Arten ausgeschlossen ist.
Landesdirektion muss Mängel nun beheben
Im Fall der Waldschlösschenbrücke ergebe sich aus dem Verschlechterungsverbot eine Pflicht zur Durchführung einer nachträglichen FFH-Verträglichkeitsprüfung, entschieden nun die Leipziger Richter. Da das Vorhaben über eine Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie zugelassen werden soll, müsse diese den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie entsprechen. Eine solche Untersuchung fehle jedoch bislang. Ferner fehle eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende artenschutzrechtliche Prüfung. Demgegenüber konnte die Grüne Liga mit weiteren Einwendungen nicht durchdringen.
Nun müssen die Planer ihre Hausaufgaben erledigen, für die sie von den Leipziger Richtern keine Fristen auferlegt bekamen. Raoul Schmidt-Lamontain, Dresdens Baubürgermeister, erklärte denn auch prompt, die Landeshauptstadt werde alles daran setzen, die Prüfungen so rasch wie möglich nachzuholen.
Das Gericht machte auch deutlich, dass es selbst bei einem möglicherweise negativen Ergebnis der Nachprüfungen nicht unbedingt zu einer Sperrung oder einem Abriss kommen muss. "Zwingende Gründe des öffentlichen Interesses" könnten dem entgegen stehen. Rechtsanwalt Frank Fellenberg, der die beklagte Seite vertrat, nannte den Spruch der Richter ein "weises und weitsichtiges Urteil".
acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Grüne Liga unterliegt vor dem BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20029 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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