Verfassungsgerichte zuständig: Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt weist Klage gegen BDS-Reso­lu­tion ab

von Dr. Max Kolter

26.03.2025

Ein Netzwerk Palästina-solidarischer Aktivisten ist vor dem BVerwG gescheitert. Sie wollten die BDS-Resolution des Bundestags von 2019 anfechten. Doch dafür ist der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten gar nicht eröffnet, so das Gericht.

Wer einen sogenannten schlichten Parlamentsbeschluss gerichtlich überprüfen lassen will, kann das allenfalls vor den Verfassungsgerichten erreichen. Der Verwaltungsrechtsweg ist hier nicht eröffnet. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch (Urt. v. 26.03.2025, Az. 6 C 6.23). Damit wies das höchste deutsche Verwaltungsgericht in letzter Instanz eine Klage gegen die sogenannte BDS-Resolution des Deutschen Bundestags ab.

Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und großen Teilen der Grünen nahm der Bundestag am 17. Mai 2019 eine interfraktionelle Resolution mit dem Titel "Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen" an (BT-Drs. 19/10191). BDS steht für "Boycott, Divestment and Sanctions", eine transnationale politische Kampagne, die Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, um ein Ende der laut Internationalem Gerichtshof völkerrechtswidrigen Besatzungs- und Siedlungspolitik in den palästinensischen Gebieten zu erreichen. Sie ruft dabei öffentliche wie private Akteure zum Boykott israelischer Waren und Dienstleistungen, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen auf. In seinem Beschluss stufte der Bundestag die Argumentationsmuster und Methoden von BDS als antisemitisch ein. Zudem regte er an, dass Kommunen BDS-Anhängern Räume und finanzielle Unterstützung verweigern. Er beschloss, auch selbst jegliche Förderung von BDS zu unterlassen.

Eine solche Resolution ist rechtlich nicht bindend, es handelt sich nur um eine Art Meinungsäußerung des (jeweils aktuellen) Parlaments. Das hatte der Vorsitzende des 6. BVerwG-Senats, Ingo Kraft, in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch betont – ein deutlicher Fingerzeig, wie der Senat am Nachmittag entscheiden würde.

Kläger sahen Eingriff in die Meinungsfreiheit BDS-naher Personen

Und so wiesen die Leipziger Richter die Revision der drei unter dem Netzwerk "BT3P" auftretenden Kläger schließlich zurück und bestätigten damit das klageabweisende Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg vom November 2023.

BT3P steht für "Bundestag 3 für Palästina". Die drei Aktivisten wollen mit der Klage die Feststellung erreichen, dass die BDS-Resolution rechtswidrig ist, weil sie die Rechte BDS-naher Personen und Gruppen unverhältnismäßig beschneide. Wenn das Parlament Behörden und Kommunen zur Streichung von Mitteln und zur Versagung von Räumen und anderen Leistungen aufrufe, beeinträchtige dies BDS-Sympathisanten in ihrer Meinungsfreiheit und – je nach Konstellation – ggf. auch in ihrer Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit.

Doch ob eine solche Verletzung vorliegt, wurde gar nicht geprüft. Vielmehr scheiterte die Klage bereits am ersten Punkt der Zulässigkeitsprüfung: Der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist das nur bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Fall, die "nichtverfassungsrechtlicher Art" sind. Genau an dieser negativen Voraussetzung ließen OVG und BVerwG die Klage scheitern. Die Sache gehöre vor die Verfassungsgerichte: Bundestagsresolutionen vor das Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse der Landtage vor die Landesverfassungsgerichte.

2021 noch Teilerfolg in erster Instanz

Die Kläger hatten insofern versucht zu argumentieren, dass es sich bei einer Bundestagsresolution um einen Akt handele, der genauso zu behandeln sei wie ein Informationshandeln der Exekutive. Darunter fallen Informationen oder Meinungsbekundungen von Regierungen und Behörden, auch Appelle oder Warnungen und andere Äußerungen einzelner Regierungsmitglieder. Gegen diese steht der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten nämlich grundsätzlich offen.

2021 hatten die Kläger mit dieser Argumentation vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin noch Erfolg, auch wenn die Klage im Ergebnis auch dort scheiterte. Wie LTO aus der Verhandlung berichtete, war die Rechtswegfrage auch dort ein zentraler Streitpunkt. Aber: "Irgendwer muss ja mal entscheiden", sagte der Vorsitzende Richter damals – auch weil gar nicht klar sei, ob vor den Verfassungsgerichten überhaupt ein entsprechendes Klage- oder Beschwerdeverfahren zur Verfügung steht.

Das BVerwG sah das anders. Eine schlichte Meinungsäußerung eines Parlaments sei dem exekutiven Informationshandeln nicht gleichzusetzen. "Begehren Einzelpersonen (…) Rechtsschutz gegen schlichte Parlamentsbeschlüsse, d.h. allgemeine politische Willensäußerungen des Parlaments ohne rechtliche Verbindlichkeit, handelt es sich (…) generell um verfassungsrechtliche Streitigkeiten", heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Eine schlichte Resolution erfülle eine "grundlegend andere Funktion als etwa die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung oder als Appelle, Warnungen und andere Äußerungen von Regierungsmitgliedern".

Rechtsschutzmöglichkeiten begrenzt

Damit ist nun höchstrichterlich klargestellt: Von einer Resolution – möglicherweise und mittelbar – betroffene Personen oder Gruppen können nur im Wege der Verfassungsbeschwerde Rechtsschutz erlangen. In dieser Einschränkung sah der 6. Senat keine Verletzung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgewährleistung aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz. Zwar prüfe das Bundesverfassungsgericht in diesem Verfahren nur, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist. Wird mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Grundrechten durch einen schlichten Parlamentsbeschluss geltend gemacht, komme jedoch ohnehin nur Verfassungsrecht als Prüfungsmaßstab in Betracht. Die Rechtsschutzmöglichkeiten seien also nicht eingeschränkt.

In der Praxis aber dürften Verfassungsbeschwerden gegen Parlamentsresolutionen meist an den hohen Begründungs- und Substantiierungserfordernissen scheitern. Das liegt daran, dass die Beschwerdeführer darlegen müssen, selbst, unmittelbar und gegenwärtig von dem staatlichen Handeln betroffen zu sein. Bei einer schlichten Meinungsäußerung ist das schwer zu konstruieren. Diese Anforderung hätte im Verwaltungsprozess jedoch genauso gegolten.

Der einfachere Weg ist in der Praxis die Klage gegen eine konkrete Maßnahme wie etwa den Entzug einer Leistung oder das Versagen von Räumlichkeiten. Hierfür sind die Verwaltungsgerichte unstreitig zuständig und Erfolgsaussichten je nach Konstellation durchaus hoch: Eine solche Klage eines BDS-Anhängers aus München hatte 2022 vor dem BVerwG in letzter Instanz Erfolg. Der 8. Senat sah die Meinungsfreiheit wegen einer Raumabsage verletzt. Allerdings muss dann in jedem einzelnen Fall neu geklagt werden.

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, BDS rufe auch zum Boykott gegen Einzelpersonen auf. Dies entspricht nicht der offiziellen Kampagne, die sich nur gegen Produkte und Institutionen richtet. Als Konsequenz des Boykotts von Wissenschafts-, Kultur- und Sportinstitutionen sind Individualpersonen aber faktisch betroffen (präzisiert am 27.03.2025, 09:50 Uhr, mk).

Zitiervorschlag

Verfassungsgerichte zuständig: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56879 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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