Mit gefälschten Zahnarztrechnungen und Kontakten in der Behörde ergaunerte sich die Ehefrau eines Beamten rund 600.000 Euro. Die muss der Mann nach einem Urteil des BVerwG wohl zurückzahlen, auch wenn er von alldem nichts wusste.
Es ist ein Sachverhalt, wie er vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nicht alle Tage verhandelt wird: Die Ehefrau eines Berliner Justizwachmeisters hatte über mehrere Jahre hinweg Beihilfeanträge mit gefälschten Zahnarztrechnungen eingereicht. Die Anträge unterschrieb sie mit dem Namenszug des Beamten und leitete sie an eine Sachbearbeiterin der Beihilfestelle weiter, die gleichzeitig die Tante des Wachmeisters war. Diese bewilligte die Anträge entweder selbst, oder gab sie in den Geschäftsgang. Dadurch erbeuteten die beiden Frauen Beihilfeleistungen in Höhe von insgesamt etwa 600.000 Euro, die sie unter sich aufteilten.
Der Schwindel flog jedoch auf, die Ehefrau und die Tante des Beamten wurden u.a. wegen Bestechung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Ein gegen den Beamten eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts hingegen eingestellt. In seiner Beschuldigtenvernehmung gab er an, dass er noch nie einen Beihilfeantrag selbst ausgefüllt und unterschrieben habe. Darum habe sich, seitdem er als Justizwachtmeister beihilfeberechtigt gewesen sei, ausschließlich seine Ehefrau gekümmert. Er habe die Beihilfebescheide nie gesehen und sie hätten ihn auch nicht weiter interessiert. Auch seien die Beihilfeleistungen auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen worden. Davon, dass seine Frau gefälschte Anträge eingereicht und so eine beträchtliche Summe illegal erlangt hat, hätte er keine Kenntnis gehabt.
Beamter haftet auch ohne Kenntnis auf Rückzahlung
Das Landesverwaltungsamt Berlin nahm die Beihilfebescheide hinsichtlich des Erstattungsbetrages aus gefälschten Rechnungen als rechtswidrige Verwaltungsakte zurück. Den Widerspruch dagegen wies das Amt zurück: Da die Bescheide auf Grund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens seitens des Beamten erlassen worden seien, seien die Verwaltungsakte rechtswidrig. Die Rücknahme sämtlicher Bescheide sei daher zulässig. Mit gesondertem Bescheid forderte es die danach zu Unrecht gewährte Beihilfe von dem Wachmeister zurück.
Das BVerwG hat das nun bestätigt. Hat ein beihilfeberechtigter Beamter seine Ehefrau ermächtigt, ihn in Beihilfeangelegenheiten zu vertreten, und hat diese ohne Kenntnis des Beamten, aber unter seinem Namen Beschäftigte der Beihilfestelle durch Bestechung oder arglistige Täuschung veranlasst, unrichtige Beihilfebescheide zu seinen Gunsten zu erlassen, können diese zurückgenommen werden, entschieden die Leipziger Richter am Mittwoch. Darüber hinaus können die aufgrund dieser Bescheide antragsgemäß auf das Konto der Ehefrau überwiesenen Beihilfeleistungen von dem Beamten grundsätzlich zurückgefordert werden, obwohl er von diesen Zahlungen keine Kenntnis hatte (Urt. v. 22.03.2017, Az. 5 C 4.16 und 5 C 5.16).
Zurechnung kraft Auftrags
Der Beamte könne sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Beihilfebescheide berufen. Vertrauensschutz scheide kraft Gesetzes aus, wenn der Verwaltungsakt durch Bestechung oder arglistige Täuschung erwirkt wurde. Das sei hinsichtlich der betroffenen Bescheide nach den zweifelsfreien Feststellungen in dem gegen die Ehefrau ergangenen Strafurteil ganz überwiegend der Fall. Die von seiner Ehefrau vorgenommenen Bestechungs- und Täuschungshandlungen müsse sich der Beamte in Anwendung zivilrechtlicher Rechtsgedanken zurechnen lassen, weil er seine Ehefrau beauftragt hatte, ihn in Beihilfeangelegenheiten zu vertreten.
Auch der Umstand, dass das Geld auf das Konto seiner Ehefrau eingezahlt worden war, half dem Beamten nicht weiter. Da er diese bevollmächtigt hatte, ihn in Beihilfeangelegenheiten zu vertreten, sei ihm auch die Bestimmung des Kontos zuzurechnen, sodass er als Leistungsempfänger anzusehen sei.
Dem Mann kam allerdings vorerst ein anderer Umstand zur Rettung. Der Rückforderungsbescheid ist nach Ansicht des BVerwG nämlich deshalb rechtswidrig, weil die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. So habe sie nicht berücksichtigt, dass der Beamte weder von den Bestechungs- und Täuschungshandlungen noch von den Zahlungen Kenntnis hatte. Dies könnte nach Ansicht des BVerwG gegen eine Inanspruchnahme des Beamten sprechen – zwingend sei dies aber nicht. Die Behörde hat daher nun erneut über eine etwaige Rückforderung zu entscheiden.
acr/LTO-Redaktion
BVerwG zu Rückforderung von Beamtenbeihilfe: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22459 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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