BVerwG zu Dienstunfall bei Beamten: Anbrüllen kann weh tun

19.11.2018

Wegen der Folgen eines Dienstgesprächs beantragte ein Kriminalbeamter Unfallfürsorge. Die bekam er zwar nicht, aber die Welt dafür ein Urteil des BVerwG, dass auch nicht-körperliche Einwirkungen, wie "aggressives Anbrüllen", verletzen können.

Um einen Dienstunfall geltend zu machen, braucht es nicht unbedingt einen Sturz oder eine körperliche Attacke. Auch die Folgen von nicht-körperlichen Einwirkungen in einem Dienstgespräch, wie aggressives Anbrüllen, Beleidigungen oder Beschimpfungen können einen Dienstunfall begründen, bestätigt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung. Dafür müsste aber der Rahmen des "Normalen" verlassen werden (Beschl. v. 11.10.2018, Az. 2 B 3.18).

Ein Kriminaloberkommissar warf seinem Vorgesetzen vor, ihn in einem Personalgespräch derart angegangen zu haben, dass dies bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelschwere Depression ausgelöst habe.

BVerwG: Auch Gespräche können Dienstunfall begründen

Der Grund für das Gespräch war, dass der beim Bundeskriminalamt im Bereich Personenschutz als Sachbearbeiter tätige Mann offenbar selbst in Konflikt mit der Polizei gekommen und in Gewahrsam genommen worden war. Als Festnahmegrund gab das Polizeikommissariat Spannerei, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen Weisungen an.

Das daraufhin anberaumte dienstliche Gespräch mit seinem Vorgesetzten verlief dann offenbar derart unangenehm für den BKA-Beamten, dass er anschließend Unfallfürsorge beantragte. Allerdings blieben sein Antrag, Widerspruch, Klage und letztlich die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) erfolglos. Für die Oberverwaltungsrichter war das Gespräch nach der Beweisaufnahme kein "auf äußerer Einwirkung beruhendes" Ereignis im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) a.F., welches einen Dienstunfall begründen würde.

Die Beschwerde des Oberkommissars gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OVG hat das BVerwG zurückgewiesen. Der zweite Senat sah nicht die grundsätzliche Bedeutung, auf die sich der 46-Jährige nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Revisionszulassungsgrund gestützt hatte.

Grenze der Sozialadäquanz muss überschritten sein

Denn dass auch verbale Einwirkungen einen Dienstunfall darstellen können, war auch nach bisheriger Ansicht des Gerichts unbestritten: Die Leipziger Richter verwiesen dabei auf ihre ständige Rechtsprechung, wonach mit dem Merkmal der "äußeren Einwirkung" lediglich äußere von krankhaften inneren Vorgängen abgegrenzt werden sollten. Entscheidend sei danach, ob der körperliche Schaden aus der Veranlagung oder dem willentlichen Verhalten des Betroffenen resultiere.

Deswegen könnten auch herabsetzende Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen eine äußere Einwirkung sein, weil sie "von außen her" die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussten und zu körperlichen Beeinträchtigungen führen könnten, so der zweite Senat.

Grundsätzlich könnten deswegen auch dienstliche Gespräche solche äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts sein. Dafür müssten aber Verlauf, Äußerungen oder Inhalt die Grenze des Gesprächs der Sozialadäquanz überschreiten. Nur dann sei ein seelischer Schaden der Sphäre des Dienstherrn und nicht der des Beamten aufgrund seiner besonderen individuellen Verlangung zuzurechnen. Ein im Rahmen des "Normalen" bleibendes Gespräch mit dienstlichem Anlass genüge nicht, so das BVerwG.

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zu Dienstunfall bei Beamten: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32187 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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