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BVerwG zum Status syrischer Militärdienstverweigerer: Behörden und Gerichte müssen Plau­si­bi­lität prüfen

19.01.2023

Geflüchtete auf dem Weg zur Europäischen Grenze.

Eine Gruppe syrischer Geflüchteter auf ihrem Weg zur europäischen Grenze. Foto: Ajdin Kamber - stock.adobe.com

Bekommen Wehrdienstflüchtige aus Syrien den Flüchtlingsstatus? Damit hat sich das BVerwG beschäftigt. Behörden und Gerichte müssten selbst auf Plausibilität prüfen, so das Urteil.

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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hob am Donnerstag mehrere Urteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg auf, in denen die Bundesrepublik Deutschland zur Anerkennung syrischer Militärdienstverweigerer als Geflüchtete verpflichtet wurde (Urt. v. 19.01.23, Az. 1 C 1.22, u.a.). Grund für die Aufhebung war u.a. die diffuse Tatsachengrundlage.

Bei Syrern, die wegen der Verweigerung zum Militärdienst strafrechtlich verfolgt werden, spreche nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine starke Vermutung dafür, dass die Verweigerung mit der Verfolgung in Zusammenhang stehe, so das BVerwG. Es sei daher Sache der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte, in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen.

Diffuse Tatsachengrundlage nicht ausreichend

Den Voraussetzungen zum Flüchtlingsschutz genüge es nicht, wenn die Überprüfung derselben auf einer diffusen Tatsachengrundlage und unter Unterschreitung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit bejaht werden, entschied das BVerwG am Donnerstag in Leipzig.

Mit den angegriffenen Urteilen hatte das OVG Berlin-Brandenburg die beklagte Bundesrepublik Deutschland in einer Reihe von Verfahren verpflichtet, den in den Jahren 1986 bis 2002 geborenen Klägern, syrischen Staatsangehörigen, über den ihnen gewährten subsidiären Schutz hinausgehend den Flüchtlingsschutz zuzuerkennen. Hintergründe zum Verfahren schilderte LTO.

Vermutung der Bestrafung aus politischen Gründen

Auch wenn die Bewertung der Tatsachengrundlagen in Bezug auf den geforderten Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund in gewissem Maße diffus bleibe und für eine vollständige gerichtliche Überzeugungsbildung eher nicht genügen dürfe, bestehe aber eine ausreichende Vermutung, dass die Bestrafung der Kläger (auch) aus politischen Gründen erfolge, so das BVerwG.

Der Gerichtshof der Europäischen Union habe entschieden, dass das Bestehen einer Verknüpfung zwischen den gesetzlich vorgesehenen Verfolgungsgründen nach Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU und einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dieser Richtlinie nicht allein deshalb als gegeben angesehen werden kann, weil Strafverfolgung oder Bestrafung an diese Verweigerung anknüpfen.

Es spreche aber eine starke Vermutung dafür, dass die Wehrdienstverweigerung durch die Behörden des betroffenen Drittstaats unabhängig von den eventuell viel komplexeren persönlichen Gründen des Betroffenen als ein Akt politischer Opposition ausgelegt wird und die Militärdienstverweigerung unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie mit einem der fünf in Art. 10 der Richtlinie aufgezählten Verfolgungsgründen in Zusammenhang stehe, heißt es vom BVerwG.

Nun muss das OVG Berlin-Brandenburg unter Berücksichtung der Rechtsprechung erneut über den Status als Flüchtling oder den des subsidiär Schutzberechtigten entscheiden.

ku/LTO-Redaktion

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BVerwG zum Status syrischer Militärdienstverweigerer: Behörden und Gerichte müssen Plausibilität prüfen . In: Legal Tribune Online, 19.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50825/ (abgerufen am: 08.12.2023 )

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