Nach einem weitreichenden EuGH-Urteil hatte das BVerwG grundsätzliche Fragen zum Asylprozess zu klären. Die Richter entscheiden sich für eine Lösung, mit der sich in der Praxis nicht viel ändert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darf weiterhin eine ablehnende Entscheidung über einen Asylantrag mit einer Abschiebungsandrohung verbinden – allerdings nur, wenn gewährleistet ist, dass der Asylantragsteller ein Bleiberecht hat, bis über seinen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung seines Antrags entschieden worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag entschieden (Urt. v. 20.2.2020, Az. 1 C 1.19).
Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juni 2019. Diese Entscheidung warf auch die grundsätzliche Frage auf, ob das seit 1993 etablierte System des asylrechtlichen Eilrechtsschutzes in Deutschland überhaupt mit dem Europarecht vereinbar ist.
Das Bundesverwaltungsgericht erklärte nun, dass das deutsche Asylprozessrecht zwar so ausgelegt werden muss, dass es mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG im Einklang ist. Die Richter entschieden sich jedoch für eine pragmatische Lösung: Wenn das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ablehnt, kann es die Vollziehung der Abschiebungsandrohung bis zur Entscheidung in dem asylgerichtlichen Eilverfahren aussetzen.
Im Ergebnis werde sich damit für die Praxis des deutschen Asylprozessrechts nicht viel ändern, meint Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert von der Berliner Kanzlei für Aufenthaltsrecht Jentsch Rechtsanwälte: "Dass bis zu einer Entscheidung über den Eilrechtsschutz nicht abgeschoben werden darf, gilt auch heute schon, wegen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Absatz 4 Grundgesetz und nach § 36 des Asylgesetzes."
Lehnert kritisiert, die Vorgaben des Unionsrechts und des EuGH würden damit nicht umgesetzt: "Nach der Entscheidung des EuGH wäre es an sich erforderlich, dass gerichtlicher Rechtsschutz bei Asylanträgen, die als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, aufschiebende Wirkung bis zu einer endgültigen Entscheidung hat." Die EuGH-Rechtsprechung verlange, dass Abschiebeandrohungen umfassend durch ein Gericht geprüft werden. "Das ist in einem rein schriftlichen Eilrechtsschutzverfahren, in dem nur eine eingeschränkte Prüfung stattfindet, nicht gewährleistet," so Lehnert.
Das BVerwG hätte die Fragen auch nochmals dem EuGH vorlegen können, das Gericht entschied sich jedoch dagegen.
acr/LTO-Redaktion
Asylprozess: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40425 (abgerufen am: 07.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag