BVerfG zu Hochschulfusion: Wissenschaft ist ein bisschen frei

10.06.2015

Die Fachhochschulen dürfen ihre eigene Leitung einsetzen, aber ein Recht auf Fortbestand einzelner Fakultäten haben sie nicht: Das BVerfG hat über Verfassungsbeschwerden rund um die Fusion der TU Cottbus mit der FH Lausitz entschieden.

Die vorübergehende Leitung der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg durch einen vom Wissenschaftsministerium eingesetzten Gründungsbeauftragten ist nicht mit der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) vereinbar. So entschied es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) (Urt. v. 10.06.2015, Az. 1 BvR 1501/13 u. 1 BvR 1682/13). Die übrigen Beschwerden waren nicht erfolgreich.

Anlass zu den Beschwerden gab das brandenburgische Landesgesetz zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz, welches die Technische Universität (TU) Cottbus mit der Fachhochschule (FH) Lausitz im Juli 2013 fusionierte. Ein damals von den Fakultäten der TU angestrengter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Inkrafttreten des Gesetzes wies das BVerfG bereits im Juni 2013 ab.

Statt gab der erste Senat der Verfassungsbeschwerde der Professoren der TU Cottbus gegen die Ernennung und den Einsatz eines vom Wissenschaftsministerium ausgewählten Gründungsbeauftragten. Dieser leitete die Universität von der Verschmelzung im Juli 2013 bis zur Wahl des neuen Gründungspräsidenten im Juli 2014.

Fusion ungleich Neugründung

Die Verfassungsrichter argumentieren, dass eine staatlich eingesetzte und verantwortete Hochschulleitung im Gegensatz zu dem Gedanken wissenschaftlicher Eigenverantwortung und dem daraus folgenden Prinzip universitärer Autonomie steht. Eine Ausnahmesituation, die den gesetzgeberischen Spielraum der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen würde, liege nicht vor. Außerdem würden bei einer Fusion - anders als bei einer Neugründung - bestehende Wissenschaftsbetriebe miteinander verbunden. Daher könne auf Leitungs- und Selbstverwaltungsorgane zurückgegriffen werden, die im Einklang mit den Mitwirkungsanforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG konstituiert sind. Bei einer Fusion gehöre es deshalb zur Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers, die Mitwirkungsrechte der wissenschaftlich Tätigen möglichst zu schonen.

Keinen Erfolg hatte die Verfassungsbeschwerde der Fakultäten. Aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebe sich kein Recht auf Fortbestand einer konkreten wissenschaftlichen Einrichtung. Die Garantie der Wissenschaftsfreiheit verpflichte den Staat lediglich, für funktionsfähige Institutionen eines freien universitären Wissenschaftsbetriebs zu sorgen. Der Gesetzgeber sei insoweit nicht gehindert gewesen, sich für die Fusion einer Universität mit einer Fachhochschule zu entscheiden. Das Gericht habe über dies nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber mit einer Organisationsentscheidung die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat.

Wissenschaftsfreiheit gilt für beide Einrichtungen

Ebenso erfolglos blieb die zweite Verfassungsbeschwerde der Professoren der ehemaligen TU gegen die Zusammensetzung des Gründungssenats und des erweiterten Gründungssenats. In beiden Gremien sind Professoren von der Universität Cottbus und der Fachhochschule Lausitz gleichrangig vertreten. 

Die Professoren der Fachhochschule Lausitz können sich ebenso wie die der Universität Cottbus auf die Wissenschaftsfreiheit berufen. Unterschiede wie beim Lehrdeputat wiegen nach Auffassung des Senats nicht so schwer, dass die Zusammenfassung in einer Gruppe durch den Gesetzgeber sachwidrig wäre. Auch das Argument der Tradition zwinge nicht dazu, zwischen Universität und Fachhochschule zu unterscheiden. Der Gesetzgeber sei nicht an überkommene Vorstellungen gebunden. Mit Blick auf bestimmte Entscheidungen habe der Gesetzgeber die verschiedenen Qualifikationen im Übrigen berücksichtigt, denn bei unmittelbar forschungsrelevanten Entscheidungen haben die Universitätsprofessorinnen und ‑professoren ein ausschlaggebendes Gewicht.

Die Wissenschaftsfreiheit der Beschwerdeführer sei auch nicht dadurch verletzt, dass die Hochschullehrenden der Universität Cottbus trotz ihrer größeren Anzahl mit ebenso vielen Personen in den zentralen Selbstverwaltungsorganen vertreten sind wie die Fachhochschulprofessoren. Bei einer gemeinsamen Wahl hätte die Gefahr bestanden, dass überwiegend Hochschullehrende der Universität Cottbus gewählt worden wären, weil diese in der Mehrzahl waren. Damit hätten Gesichtspunkte der universitären Forschung und Lehre von vornherein ein Übergewicht gegenüber der anwendungsbezogenen Forschung und Lehre aus der Fachhochschule Lausitz. Da die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG für beide gilt, ist es legitim, wenn der Gesetzgeber beide im Gründungssenat und im erweiterten Gründungssenat gleich stark repräsentiert sehen will.

ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Hochschulfusion: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15808 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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