Die neue Rechtsprechung des BGH, der die Folgen einer neuen Heirat bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs einbezieht, ist nach einem am Freitag veröffentlichten Beschluss des BVerfG verfassungswidrig. Der Maßstab für den Unterhalt müsse unabhängig davon bestimmt werden, ob der unterhaltspflichtige Partner erneut geheiratet hat. Maßgeblich seien die Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung.
Mit dem Beschluss vom 25. Januar 2011 hob der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück (Az.1 BvR 918/10).
Die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Berechnungsmethode der so genannten Dreiteilung löse sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetze es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreite die neue Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletze die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Der Entscheidung lag die Verfassungsbeschwerde einer Frau zugrunde, die 24 Jahre lang mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens verheiratet war. Im Zuge der Scheidung wurde ihr zunächst ein nachehelicher Aufstockungsunterhalt von 618 Euro monatlich zuerkannt. Nach der Wiederheirat des Klägers setzte das Amtsgericht im Ausgangsverfahren in Anwendung der Rechtsprechung des BGH den monatlich zu zahlenden Unterhalt auf 488 Euro herab, indem es die Einkünfte der nachfolgenden Ehefrau im Wege der Dreiteilungsmethode in die Bedarfsberechnung einbezog. Das OLG hielt das Urteil hinsichtlich der Unterhaltsbemessung aufrecht.
Der BGH ging zuletzt davon aus, dass die für die Höhe des Unterhaltsbedarfs maßgeblichen Lebensverhältnisse einer geschiedenen Ehe Veränderungen unabhängig davon erfahren können, ob diese in der Ehe angelegt waren. Mit Urteil vom 30. Juli 2008 (Az. XII ZR 177/06) hat er erstmals eine Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehepartner in die Bemessung des Bedarfs des vorangegangenen, geschiedenen Ehegatten einbezogen: Der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten sei zu ermitteln, indem seine bereinigten Einkünfte ebenso wie diejenigen des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen Ehepartners zusammengefasst und durch drei geteilt würden (so genannte Dreiteilungsmethode). Mittels einer Kontrollrechnung sei sodann sicherzustellen, dass der geschiedene Ehegatte maximal in der Höhe Unterhalt erhält, die sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte.
Nach Auffassung des BVerfG lässt sich diese Rechtsprechung mit keiner der anerkannten Auslegungsmethoden rechtfertigen. Unter anderem kritisierte der Senat, dass mit der Rechtsprechung des BGH die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt wird. Die geänderte Auslegung hebe die gesetzliche Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit auf, so die Richter. Sie berücksichtige die nachehelich entstandenen Unterhaltspflichten gegenüber einem weiteren Ehegatten bereits auf der Ebene des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB), obwohl deren Berücksichtigung gesetzlich erst auf der Ebene der nach den gegenwärtigen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu beurteilenden Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB vorgesehen sei.
plö/LTO-Redaktion
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BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2522 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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