Mögliche GroKo: Ver­fas­sungs­ge­richt über­prüft SPD-Mit­glie­der­be­fra­gung

von Hasso Suliak

06.02.2018

Das BVerfG soll die Zulässigkeit des geplanten Mitgliedervotums der SPD zu einer großen Koalition prüfen.  Verfassungsrechtler beurteilen die Befragung unterschiedlich. Dabei hat Karlsruhe das schon geklärt. 

Wie der Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Max Schoenthal, gegenüber LTO bestätigte, liegen derzeit fünf Anträge vor, die sich gegen die Befragung der rund 450.000 SPD-Mitglieder wenden. Zwei dieser Anträge habe das Gericht bereits "ohne Begründung" nicht zur Entscheidung angenommen.  Über die Identität der Antragsteller vermochte der Sprecher keine Auskunft zu geben.

In den vergangenen Tagen mehrten sich Stimmen, die daran zweifelten, ob sich die von der SPD geplante Mitgliederbefragung mit der Freiheit der Abgeordneten und den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie vereinbaren lasse.

"Freies Mandat wird maßgeblich beeinträchtigt"

Unter anderem der ehemalige Präsident des BVerfG, Hans-Jürgen Papier, hat in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland den Mitgliederentscheid der SPD über den Vertrag der großen Koalition kritisiert. Derartige Entscheide über die Bildung der Bundesregierung, das künftige Regierungsprogramm und die Gesetzgebung "würden die grundgesetzlichen Regeln des parlamentarischen Systems stückweise faktisch aushebeln“, so Papier.

Christoph Degenhart äußerte gegenüber LTO ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken: Das freie Mandat der SPD-Abgeordneten werde durch das Votum der Mitglieder "maßgeblich beeinträchtigt". Hier sei die Grenze der zulässigen Parteidisziplin überschritten, "diese Art von Basisdemokratie" sei auch "im Grundgesetz nicht vorgesehen", so der Leipziger Staatsrechtslehrer. Darüber hinaus werde die Entscheidung der Wähler durch die Verbindlichkeit des Mitgliedervotums stark relativiert, kritisierte Degenhart. 

Auch der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly kommentierte in einem Beitrag in der Berliner Zeitung vom Dienstag, die Bundesregierung dürfe nicht davon abhängen, "was 440.000 SPD Mitglieder - 0,7 Prozent aller Wahlberechtigten – befinden. Die einzigen, die unsere Regierung wählen, ihr das Vertrauen aussprechen oder entziehen dürften, sind die Abgeordneten. Im Verfahren der Regierungsbilder haben die Mitglieder und Delegierten einzelner Parteien nichts zu suchen", so Aly.

"Bei innerparteilicher Willensbildung Justiz außen vor lassen"

Der Osnabrücker Staats- und Verwaltungsrechtler Jörn Ipsen hingegen hat keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken gegen die SPD-Mitgliederbefragung. Im Gespräch mit LTO empfahl Ipsen: "Wenn es um die innerparteiliche Willensbildung geht, sollte man die Justiz außen vorlassen."

Bei dem SPD-Mitgliedervotum handele es sich – ähnlich wie bei einem Parteitagsbeschluss - um eine "rein innerparteiliche Angelegenheit", für die das BVerfG nicht zuständig sei. Dass SPD-Bundestagsabgeordnete in irgendeiner Weise durch das Mitgliedervotum in ihrer Rechtsstellung als freie Abgeordnete beeinträchtigt sein könnten, sieht Ipsen nicht: "Den Abgeordneten bleibt es unbenommen, auch abweichende Entscheidungen zu treffen. Ihr freies Mandat nach Artikel 38 Abs. 1 Grundgesetz wird dadurch in keiner Weise beeinträchtigt." Er prognostiziert, dass Karlsruhe wohl auch die verbliebenen Beschwerden als offensichtlich unzulässig verwerfen werde. 

Vermutlich dürfte Ipsen Recht behalten: Bereits vor vier Jahren hatte das höchste deutsche Gericht eine einstweilige Anordnung gegen das Mitgliedervotum der SPD abgelehnt. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde sah das Gericht damals als unzulässig an. In der Begründung hieß es seinerzeit: "Im Wege einer Verfassungsbeschwerde können nur Akte der öffentlichen Gewalt angegriffen werden. An einem solchen Akt fehlt es hier." Mit der Durchführung einer Abstimmung über einen Koalitionsvertrag unter ihren Mitgliedern übe die SPD keine öffentliche Gewalt aus. Der Abschluss einer Koalitionsvereinbarung zwischen politischen Parteien und die "ihm vorgelagerte oder nachfolgende parteiinterne Willensbildung" könnten nicht als "staatliches Handeln" angesehen werden, so die Karlsruher Richter. Wie die Parteien diesen parlamentarischen Willensbildungsprozess vorbereiteten, sei außerdem grundsätzlich Sache "ihrer autonomen Gestaltung". 

Die SPD hatte kürzlich eine Frist gesetzt, bis zu der Neumitglieder in die Partei eingetreten sein müssen, um an der Abstimmung über eine Regierungsbeteiligung mit der Union teilzunehmen. Wer bis zum 6. Februar um 18 Uhr in die Mitgliederdatenbank eingetragen ist, darf über den bis dahin ausgehandelten Koalitionsvertrag von CDU und CSU mit abstimmen. Bei einer Ablehnung, für die vor allem die Jusos um Kevin Kühnert werben, gäbe es keine große Koalition.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Mögliche GroKo: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26903 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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