BVerfG lehnt Eil- und Organklageanträge ab: Son­der­sit­zung des Bun­des­tags darf statt­finden

14.03.2025

Das BVerfG hat Eilanträge und Organklageanträge gegen das geplante Zusammenkommen des alten Bundestags abgewiesen. Die Sondersitzung am Dienstag samt Abstimmung über das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD kann stattfinden.

Der Bundestag darf für die geplante Sondersitzung am kommenden Dienstag zusammenkommen, um über das Finanzpaket von Union und SPD abstimmen zu können. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dagegen gerichtete Eilanträge und Organklageanträge abgewiesen (Az. 2 BvE 2/25; 3/25; 4/25; 5/25). Es entschied dabei über drei Organklagen direkt in der Hauptsache, da diese "offensichtlich unbegründet" seien. Die Legitimation des "Alt-Bundestags", wonach das BVerfG die Entscheidungen benennt, sei bis zur Konstituierung des neuen Bundestags nicht eingeschränkt.

Die Antragstellenden waren Die Linke als Vor-Fraktion im noch nicht konstituierten 21. Deutschen Bundestag, die AfD-Fraktion im 20. Deutschen Bundestag sowie mehrere neu gewählte Abgeordnete dieser Parteien. Sie halten die Einberufung des 20., also des "alten" Bundestags insbesondere deswegen für pflichtwidrig, weil stattdessen der am 23. Februar neu gewählte Bundestag so schnell wie möglich einzuberufen sei.

Bei ihren Sondierungen für eine mögliche künftige Koalition hatten Union und SPD ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur im Umfang von 500 Milliarden Euro sowie eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vereinbart. Die Pläne erfordern Grundgesetzänderungen, für die sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat jeweils Zweidrittelmehrheiten benötigt werden. Da am Freitag auch ein Kompromiss mit den Grünen erzielt werden konnte, ist das Erreichen der Zweidrittelmehrheit nun auch politisch greifbar geworden.

Wann hat der neue Bundestag Vorrang?

Im neuen Bundestag – der spätestens am 25. März erstmals zusammentreten muss – käme eine solche Mehrheit nur mit Stimmen der Linken oder der AfD zustande. CDU, CSU und SPD wollen das Finanzpaket daher noch im alten Bundestag beschließen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte deshalb zu Sondersitzungen des alten Parlaments für Donnerstag den 13. März und kommenden Dienstag eingeladen

Die dagegen gerichteten Anträge von AfD und Linken sind jedoch unbegründet. Das BVerfG weist dabei, ebenso wie viele Expert:innen im Vorfeld, auf Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) hin. Der besagt, die Wahlperiode des "alten" Bundestags "endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestags". Daraus resümierte der Zweite Senat: "Dem 20. Deutschen Bundestag fehlt es nicht an verfassungsrechtlicher Legitimation." Der alte Bundestag sei in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt. 

Wann sich der neue Bundestag konstituiert, entscheide allein er. Er werde hieran durch die Einberufung des alten Bundestages nicht gehindert. Eine Einberufung ist laut BVerfG hier auch nicht pflichtwidrig. Denn beantragt ein Drittel der Mitglieder des Bundestags dessen Einberufung, ist die Bundestagspräsidentin hierzu nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG verpflichtet, so das Gericht.

Antrag von "Vor-Fraktion" überhaupt zulässig?

Das BVerfG äußert sich allerdings auch dazu, wann eine Pflicht besteht, der Konstituierung des neuen Bundestags Vorrang zu geben. Das könne hier aber offenbleiben: "Eine solche Pflicht bestünde allenfalls, wenn der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hätte. Daran fehlt es hier."

Das BVerfG weist daher die Organklageanträge wegen offensichtlicher Unbegründetheit ab. Die entsprechenden einstweiligen Anordnungen seien damit gegenstandslos geworden. Damit äußert sich das Gericht nicht zur der im Vorhinein kontrovers diskutierten Frage, ob die Anträge von der Linken als "Vor-Fraktion" eines noch nicht konstituierten Bundestags überhaupt zulässig sein können. Kritiker wendeten gegen diese Konstruktion ein, man könne im Organstreitverfahren nur eigene Rechte geltend machen – und die klagende Vor-Fraktion existiere eben praktisch noch nicht, da auch der neue Bundestag noch nicht existiert. Diese Frage hat das BVerfG wegen der offensichtlichen Unbegründetheit des Antrags aber offengelassen.

Zu wenig Vorbereitungszeit für Abgeordnete?   

Nur in Bezug auf Eilanträge der fraktionslosen Abgeordneten Joana Cotar (ehemals AfD) entschied das Gericht vorläufig. Insofern kam es zu dem Schluss, dass der Eilantrag keinen Erfolg hat (Az. 2 BvE 4/25). Das Hauptsachverfahren bleibt jedoch anhängig.

Cotar hatte unter Berufung auf den sogenannten Heilmann-Beschluss gerügt, sie sei wegen zu kurzfristig zur Verfügung gestellter Unterlagen und der Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens in seiner Gesamtheit nicht in der Lage, gleichberechtigt an der politischen Willensbildung mitzuwirken. So seien etwa Fristen zur Prüfung und Überlegung insbesondere deshalb nicht angemessen, weil die aus dem Bundestag ausscheidenden Abgeordneten keine Büros mehr im Bundestag hätten und auch keine persönlichen Mitarbeitenden. Das Ressourcenungleichgewicht fraktionsloser Abgeordneter gegenüber fraktionsgebundenen Abgeordneten, die auf den Mitarbeiterstab der Fraktion zurückgreifen könnten, werde dadurch noch einmal verstärkt. Im Fall des sogenannten Heizungsgesetzes hatte das BVerfG eine Abstimmung im April 2024 auf einen Eilantrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann hin gestoppt.

Diesen Schritt ist der Zweite Senat im vorliegenden Fall wegen der besonderen Konstellation aber nicht gegangen. Dem Gericht zufolge ergibt die im Eilverfahren vorzunehmende Folgenabwägung hier, dass die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Würde das Gericht nämlich eine einstweilige Anordnung erlassen und sich dann im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass der Organklageantrag unbegründet ist, läge ein erheblicher Eingriff in die Verfahrensautonomie des Parlaments vor. 

Diese Gefahr wiege hier schwerer als die Gefahr einer möglichen Verletzung von Abgeordnetenrechten, weil es für den aktuellen 20. Bundestag eben die letzte Chance ist, die Grundgesetzänderungen zu beschließen. Der von Schwarz-Rot und Grün vereinbarte Gesetzentwurf würde nach dem 25. März nämlich der Diskontinuität des Parlaments zum Opfer fallen. Er würde damit "endgültig unmöglich", so der Zweite Senat. Der Grundsatz der Diskontinuität besagt, dass alle Gesetzesvorhaben und anderen Vorlagen, die innerhalb einer Legislaturperiode nicht abgeschlossen wurden, mit dem Ende dieser Periode automatisch verfallen.

Artikel wurde fortlaufend aktualisiert. Letzte Änderung am 14.03.2025 um 21:45 Uhr.

pdi/mk/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG lehnt Eil- und Organklageanträge ab: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56787 (abgerufen am: 29.04.2025 )

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