Die DFL muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen der Fußball-Bundesliga beteiligen, entschied das BVerfG. Eine Einladung für andere Bundesländer, es Bremen gleichzutun. Reagieren Vereine mit Zuschauerausschluss?
Das Land Bremen hat den seit 2015 geführten Rechtstreit gegen die Deutsche Fußball Liga (DFL) gewonnen: Die DFL muss für Hochrisikospiele der Bundesliga in Bremen grundsätzlich Gebühren bezahlen und sich damit an den Kosten der Polizeieinsätze im Zusammenhang mit der Veranstaltung beteiligen. Das entsprechende Bremer Gesetz verstoße nicht gegen das Grundgesetz, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag (Urt. v. 14.01.2025, Az. 1 BvR 548/22).
Der Erste Senat teilte damit im Ergebnis die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Das befand im März 2019, dass der Gebührenbescheid des Landes Bremen an die DFL dem Grunde nach rechtmäßig sei, bemängelte aber in manchen Einzelheiten die Berechnung der Gebührenhöhe (Urt. v. 29.03.2019, Az. 9 C 4.18); LTO berichtete. Den daraufhin geänderten Bescheid in reduzierter Höhe von zuletzt circa 385.000 Euro sah das BVerwG schließlich Ende 2021 als im Einklang mit Bundesrecht. Dies beanstandete die DFL mit einer Verfassungsbeschwerde – und scheiterte damit nun.
Die Karlsruher Richter sehen in der Bremer Regelung zwar einen Eingriff in die Berufsausübung der DFL, also in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Jedoch verfolge die Kostenbeteiligung ein legitimes Ziel und sei nicht unverhältnismäßig. Die Gefahrenabwehr gehöre grundsätzlich zu den Kernaufgaben des Staates, es könne aber angemessen sein, auch den wirtschaftlichen Nutznießer der Großveranstaltungen am Kostenaufwand zu beteiligen. Insbesondere habe die Bremer Kostenbeteiligungsregel keine "erdrosselnde Wirkung" zulasten der DFL, führte der Senatsvorsitzende und BVerfG-Präsident Prof. Dr. Stephan Harbarth am Dienstagmorgen aus.
Nordderby als Ausgangspunkt
Das hoch verschuldete Land Bremen hatte Ende 2014 sein Gebühren- und Beitragsgesetz verschärft. Bei "gewinnorientierten Veranstaltungen" mit mehr als 5.000 Teilnehmenden und "erfahrungsgemäß zu erwartenden Gewalthandlungen" soll künftig der Veranstalter die zusätzlichen Polizeikosten übernehmen. Das Gesetz ist offen formuliert, es könnte auch für einen Stadt-Marathon oder ein Rock-Konzert gelten, aber praktisch ging es bisher ausschließlich um den Bremer Profi-Fußball.
Erster Anwendungsfall war ein Heimspiel von Werder Bremen gegen den Hamburger SV im April 2015. Das Spiel wurde von der Polizei wegen der verfeindeten Fans als Hochrisikospiel eingestuft. Deshalb waren 969 Beamte im Einsatz statt wie üblich rund 150. Über 600 von ihnen kamen dabei aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. Die anderen Bundesländer und der Bund stellten Bremen – wie üblich – ihren Mehraufwand für diesen Einsatz in Rechnung: Fahrtkosten, Verpflegung, Überstundenausgleich. Zudem musste Bremen für die Unterbringung der auswärtigen Polizisten aufkommen, je zwei Nächte im Zwei-Sterne-Hotel. Das Land Bremen stellte der DFL deshalb per Gebührenbescheid rund 425.000 Euro in Rechnung und korrigierte den Betrag nach der BVerwG-Entscheidung um ca. 40.000 Euro nach unten.
Dieses Vorgehen billigte der Erste BVerfG-Senat nun. "Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Die Gefahrenvorsorge ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist", hieß es zur Begründung in einer Mitteilung des Gerichts.
BVerfG: "Gegenleistung für individuell zurechenbare Leistung"
Zur Angemessenheit der Kostenbeteiligung nach dem Bremer Modell führt der Erste Senat aus, dass diese "als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben" werde. Die "öffentliche Leistung", die die DFL in Anspruch nehme, besteht in dieser Betrachtung in dem besonders aufwendigen Polizeieinsatz, der die Sicherheit der Fangruppen und der Öffentlichkeit gewährleisten soll. Zwischen dieser Leistung und der DFL als in Anspruch genommener Gebührenschuldnerin bestehe "ein hinreichendes Näheverhältnis".
Diese Zurechnung ergebe sich vor allem aus dem Veranlasserprinzip. Dieser polizeirechtliche Grundsatz besagt, dass nicht nur der unmittelbare Störer in Anspruch genommen werden kann, sondern auch die Person, die den Anlass für Störungen schafft. Im Polizeirecht gelten dafür aber bestimmte einschränkende Voraussetzungen, die die Bremer Kostenregelung nicht abbildet. Das sei aber in Ordnung, so das BVerfG. "Die individuelle Zurechnung setzt auch nicht die polizeiliche Verantwortlichkeit der Veranstalterinnen und Veranstalter voraus. Das Grundgesetz kennt keinen entsprechenden Grundsatz." Dass gegebenenfalls rechtswidrige Handlungen Dritter, vor allem gewalttätiger Fans, dazwischentreten, unterbreche diese Zurechnung nicht.
Schließlich hielt der Erste Senat fest, dass die Bremer Regelung auch hinreichend bestimmt sei und den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachte. "Der Aufwand soll dorthin verlagert werden, wo die Gewinne hinfließen und wo sie typischerweise auch vorhanden sind", heißt es in der Mitteilung. Der Vorteil, den Veranstalter aus einem Profifußballspiel ziehen, sei im Vergleich zu nicht kommerziellen Großveranstaltungen so groß, dass dies die Kostenbeteiligung rechtfertige. Auch der Grenzwert von 5.000 zu erwartenden Teilnehmenden sei angemessen. Er verfolge das Ziel, dem zu erwartenden Polizeiaufwand Rechnung zu tragen.
Ziehen andere Länder nach?
Zwar hat das BVerfG nur zur Bremer Regelung entschieden. Jedoch ist möglich, dass weitere Bundesländer nachziehen und eine den Bremer Vorgaben entsprechende Kostenbeteiligung einführen werden. Hamburg, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Rheinland-Pfalz haben eine solche Bereitschaft schon signalisiert. In NRW, Bayern, Berlin und Brandenburg haben sich die Landesregierungen bislang gegen eine Kostenbeteiligung ausgesprochen. Die restlichen Länder haben sich noch nicht geäußert oder sind sich über ihr Vorgehen noch unschlüssig. Einige Bundesländer befürworten allerdings auch ein einheitliches Vorgehen bundesweit. Womöglich wird das Thema also auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz gesetzt, die, so der Zufall will, in Bremen stattfindet.
Damit hat das Urteil bundesweite Bedeutung. Auch ist es theoretisch nicht auf Fußball- oder Sportveranstaltungen begrenzt. Die Ausführungen des Ersten Senats beziehen sich auf die Bremer Regelung, die sämtliche gewinnorientierten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 zu erwartenden Teilnehmenden und einem gewissen zu erwartenden Gewaltpotenzial erfasst. Politische Großdemos fallen damit jedenfalls aus dem Anwendungsbereich heraus.
Experte: Ausschluss von Zuschauern als mögliche Folge
Rechtsanwalt Dr. Gerrit Müller-Eiselt geht das Urteil dennoch zu weit, weil das BVerfG die Kostentragung nicht davon abhängig mache, dass der Veranstalter auch polizeirechtlich als Veranlasser in Anspruch genommen werden könnte. "Das BVerfG öffnet die Tür zur Gebührenfinanzierung der Sicherheit nicht nur einen Spalt, sondern reißt sie gänzlich ein", so Müller-Eiselt gegenüber LTO. In einem LTO-Vorbericht zur Urteilsverkündung hatte er schon am Freitag auf die Risiken hingewiesen, wenn das BVerfG die Kostenbeteiligung der DFL absegnen würde. Dies mache Vereine und Polizei in Kostenstreitigkeiten vor Gericht zu Gegnern, obwohl sie eigentlich das gemeinsame Interesse verbinde, gewalttätige Ausschreitungen im und vor dem Stadion zu verhindern.
Auch Prof. Dr. Thomas Feltes kritisiert das Urteil. "Die Folgen werden dramatisch sein für alles, was 'kommerziell' ist, und das ist viel", so der Jurist und Polizeiwissenschaftler auf X. "Das Gericht liegt daneben."
Für Vereine hat das BVerfG nach Einschätzung von Müller-Eiselt aber möglicherweise ein "Hintertürchen" offengelassen: "Schließen sie bei Hochrisikospielen Gästefans oder gar Zuschauer im Ganzen aus, könnte die Zurechnung unterbrochen sein."
Dieser Artikel wurde am Tag der Veröffentlichung fortlaufend aktualisiert.
Bundesverfassungsgericht zu Polizeikosten bei Fußballspielen: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56313 (abgerufen am: 12.02.2025 )
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