BVerfG verhandelt im Januar: Jour­na­listen gegen den BND

30.12.2019

Das BVerfG verhandelt bald über Klagen von Journalisten und Medienorganisationen. Sie befürchten, von globaler Massenüberwachung betroffen zu sein. Wird die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes eingeschränkt?

Gut zwei Wochen vor einer für den Bundesnachrichtendienst (BND) womöglich wegweisenden Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wächst die Spannung. Internet- und Medienvertreter wollen Journalisten bei international angelegten Recherchen besser vor Abhöraktionen schützen und befürchten eine globale Massenüberwachung durch den deutschen Auslandsgeheimdienst. Der frühere Bundesverwaltungsrichter und ehemalige NSA-Sonderermittler Kurt Graulich warnt indes davor, die Arbeitsfähigkeit des BND zu beeinträchtigen. 

Der BND schöpft wesentliche Erkenntnis über Gefährdungslagen zum Beispiel für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz über die technische Aufklärung etwa von Kommunikation in sozialen Medien via Internet. Dazu darf er laut Gesetz mit Einschränkungen Ausländer im Ausland abhören (sog. Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung). Umstritten ist dabei unter anderem etwa das Abschöpfen von Internetdaten an einem großen Internetknoten in Frankfurt am Main. 

"Es muss schnell gehen"

"Nachrichtendienst heißt, es muss schnell gehen", sagte Graulich, der an der Berliner Humboldt-Universität als Professor Öffentliches Recht lehrt. "Man kann sich kein System vorstellen, in dem ein Nachrichtendienst schnell eine Information oder eine Lage aufklären soll und dann kompliziert aufgestellte Aufklärungsgremien zu lange brauchen." Die Bundesrepublik habe das Recht und gegenüber ihren Einwohnern auch die Pflicht, ihre Selbstverteidigung zu organisieren. "Dazu leistet der Auslandsnachrichtendienst einen unverzichtbaren Beitrag." 

Graulich sagte, Deutschland sei bis zur Wiedervereinigung 45 Jahre lang nachrichtendienstliches Jagdrevier gewesen. "Wir wissen die schließlich gewonnene Souveränität über unsere Auslandsaufklärung zu schätzen." Die Kläger des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hätten "nicht dargetan, ob sie auch ihre eigenen Länder durch entsprechende Klagen an nachrichtendienstlichen Aufklärungen in Deutschland gehindert haben". 

Von Massenüberwachung betroffen? 

Die Verfassungsbeschwerde von Medienorganisationen und Internetvertretern soll am 14. und 15. Januar 2020 in Karlsruhe verhandelt werden. Nach deren Auffassung legalisiert das 2017 in Kraft getretene neue BND-Gesetz globale Massenüberwachung. Der BND könne im Ausland praktisch schrankenlos Telefonate abhören und den Internet-Verkehr auswerten. 

Hinter der Klage steht ein Bündnis um die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) und mehrere ausländische Journalisten sowie ein deutscher Anwalt, der für ein Menschenrechtsbüro in Guatemala tätig ist. Sie befürchten, dass Missstände weltweit unerkannt bleiben, weil sich Kontaktpersonen nicht mehr vertrauensvoll an die Medien wenden könnten. Auch das deutsche Redaktionsgeheimnis werde ausgehöhlt, wenn zum Beispiel bei internationalen Großrecherchen Partnermedien abgehört werden könnten. Ihre Argumentation: Aufgrund ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeit könnten sie von Maßnahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung nach §§ 6 ff. des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst betroffen werden. Ihre Recherche- und Beratungstätigkeit berühe schließlich den gesetzlichen Aufklärungsauftrag des BND, sie verfügten – etwa aufgrund eigener Recherchetätigkeit oder durch schutzwürdige Quellen – über vertrauliche Informationen zu politisch brisanten Themenfeldern und eine spezifische Verstrickung in bestimmte Sachverhalte brauche es für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung gerade nicht.  

Die Beschwerdeführer stützen ihre Verfassungsbeschwerde auf eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) und der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese beanspruchten als Menschenrechte auch für Ausländer im Ausland Geltung. Die Regelungen der §§ 6 ff. des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst würden den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis weder formal noch inhaltlich gerecht. Sie ermächtigten den BND in einem Umfang zur anlasslosen Verarbeitung und Speicherung von Telekommunikationsverkehrs- und -inhaltsdaten, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Zudem enthielten die gesetzlichen Regelungen keine Bestimmungen zum Schutz der Kommunikation von Berufsgeheimnisträgern und benachteiligten Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten gegenüber deutschen Staatsangehörigen.

"Im besten Fall: Einige zehn Millionen täglich betroffen"

Klaus Landefeld, Vize-Vorstandsvorsitzender des Internetverbandes eco, sagte, es sei technisch nicht möglich, den Grundrechtsschutz deutscher Nutzer zu wahren, indem ihre Daten aus den überwachten ausländischen Datenströmen herausgefiltert würden. "Der beste Filter kommt auf eine Rate zwischen 99 und 99,5 Prozent." Bei Milliarden von Kommunikationsverbindungen täglich blieben dann aber einige zehn Millionen übrig, die von der Abhörpraxis betroffen wären. "Und schon ein einziger Fehler wäre ein Grundrechtsproblem."  

Auch Reporter ohne Grenzen geht davon aus, dass der BND bei seinen Abhöraktionen deutsche von ausländischen Nutzern technisch nicht unterscheiden könne. "Insofern geht es uns darum, auch Deutsche gegen die Massenüberwachung zu schützen", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Juristisch gehe es der Organisation "um das Menschenrecht auf Privatsphäre und auch das Menschenrecht auf Presse- und Informationsfreiheit". Eine zielgerichtete Überwachung "im Einzelfall zum Beispiel bei Terroristen" solle bei begründetem Verdacht aber selbstverständlich weiter möglich sein. 

Graulich hielt entgegen, der Begriff "Journalist" werde von autoritären Staaten für ihre Publikationsorgane genauso verwendet wie er in Deutschland für Mitarbeiter der freien Presse benutzt werde. "Es gibt kein Weltregister anerkannter Journalisten. Das macht es schwer, "richtige" und "falsche" Journalisten zu unterscheiden." Wer mit deutschen Journalisten kooperiere, stehe im Allgemeinen bei seiner Telekommunikation unter sogenanntem G10-Schutz, weil ja ein Partner Deutscher sei. "Das müsste das Problem klein halten."

dpa/ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG verhandelt im Januar: . In: Legal Tribune Online, 30.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39447 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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