2/2: Aus der EMRK folgt nichts anderes
Nach Ansicht der Karlsruher Richter gibt auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK) keinen Anlass, von diesen Maßstäben abzulassen oder sie zu modifizieren. Schließlich schütze deren Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 die Kirchen vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen - auch vor solchen organisatorischer Art, so das BverfG.
Das angefochtene Urteil des BAG verstößt nach dem nun bekannt gewordenen Beschluss gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m.Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 S. 1 der Weimarer Verfassung (WRV). Die Erfurter Richter hätten im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung getragen, so der Zweite Senat. Das BAG habe stattdessen auf der ersten Prüfungsstufe eine eigenständige Bewertung religiöser Sachverhalte vorgenommen und eine eigene Einschätzung der Loyalitätsobliegenheit abgegeben. Außerdem habe es selbst das Gewicht des Verstoßes bewertet und dies an die Stelle der kirchlichen Einschätzung gesetzt.
Chefarzt konnte Kündigungsrisiko erkennen
Damit meint das BVerfG die Argumentation des BAG, dass das beklagte Krankenhaus selbst es nicht als erforderlich erachte, seine Spitzenpositionen ausschließlich mit Katholiken zu besetzen und auch Chefärzte in zweiter Ehe beschäftigt habe. Daraus hatten die Arbeitsrichter geschlossen, dass das Krankenhaus es nicht für zwingend halte, dass das Führungspersonal ein Leben nach der katholischen Sittenlehre führe.
Das BVerfG wies darauf hin, dass das kirchliche Verbot der Zweitehe wirksam zum Inhalt des strittigen Arbeitsverhältnisses geworden sei. Das habe auch der Chefarzt bei Vertragsschluss erkennen können. So habe er davon ausgehen müssen, dass er bei Eingehung einer zweiten Ehe einen Verstoß gegen die Loyalitätspflichten begeht und dies zur Kündigung führen könnte.
Nun muss das BAG erneut in der Sache entscheiden. Bisher habe es nämlich nur festgestellt dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zugunsten des Arztes und seiner zweiten Ehefrau eröffnet sei. Es fehle aber an Darlegungen, weshalb diese Rechtsposition gerade im vorliegenden Fall derart tangiert sein soll, dass es gerechtfertigt wäre, seinen Interessen den Vorrang einzuräumen.
una/LTO-Redaktion
Ulf Nadarzinski, Kündigung wegen Zweitehe doch wirksam?: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13871 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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