Beamte in Sachsen werden durch die Einstufung in ihre Besoldungsgruppe nicht altersdiskriminiert. Das Land hat das ehemals rechtswidrige Besoldungssystem inzwischen ersetzt. Das BVerfG sieht keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.
Die Neuregelungen des Sächsischen Besoldungsgesetzes von 2013, die rückwirkend für die Zeit ab September 2006 gelten, verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Oktober, wie es am Dienstag bekannt gab. Die Verfassungsbeschwerde eines Beamten, die sich gegen zwei Urteile richtete, wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 07.10.2015, Az. 2 BvR 413/15).
Ursprünglich klagte der Beamte gegen eine Entscheidung seines Dienstherrn. 2009 hatte er vergeblich das Grundgehalt aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe rückwirkend ab Januar 2006 verlangt. Er hatte seine Ersteinstufung, die nach seinem Lebensalter erfolgt war, zusammen mit dem Stufenanstieg, der wiederum nach dem Dienstalter erfolgte, als unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters angesehen. Seine Klage gegen den Widerspruchsbescheid hatte im Wesentlichen Erfolg. In erster und zweiter Instanz stellte man eine Altersdiskriminierung fest.
Gesetzesänderung während des Revisionsverfahrens
Da der Beamte allerdings mit den von den Richtern festgelegten Rechtsfolgen nicht einverstanden war - man hatte ihm nicht die begehrte Höhe der Besoldung zugesprochen-, legte er auch Berufung ein. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sollte entscheiden. Allerdings erließ der Sächsische Gesetzgeber Ende 2013 das sog. Dienstrechtsneuordnungsgesetz , womit das Besoldungsgesetz des Freistaats eine Neuregelung erfuhr. Nicht nur, dass die Bemessung des Grundgehalts hierdurch nicht länger nach dem Dienstalter, sondern nach den geleisteten Dienstzeiten und der erbrachten Leistung erfolgte. Auch wurde diese Neuregelung rückwirkend zum 1. September 2006 in Kraft gesetzt. Dies sieht Art. 28 Abs. 3 dieses Gesetzes vor.
Aufgrund dieser Entwicklung entschieden die Leipziger Richter im Oktober 2014, dass die Klage des Mannes im Wesentlichen unbegründet sei. Lediglich einen Betrag von 50 Euro nebst Zinsen für die zweite Augusthälfte des Jahres 2006 erkannte das BVerwG dem Kläger zu, weil er für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) habe und nach Abwägung aller Umstände ein Pauschalbetrag von 100 Euro pro Monat angemessen sei. Das AGG war am 18. August 2006 in Kraft getreten.
BVerwG verneint Anspruch
Im Übrigen aber bestehe kein Anspruch auf die begehrte höhere Einstufung, hieß es in Leipzig. Das zunächst bis Ende August für den Kläger geltende Bundesbeamtengesetz sei nämlich insgesamt diskriminierend und ungültig. Somit fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Ein qualifizierter unionsrechtlicher Haftungsanspruch scheide aus, da dieser erst seit dem im September 2011 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Betracht komme. Erst seit dieser Entscheidung (Urt. v. 08.09.2011, Az. C-297/10) steht fest, dass das Europarecht der Ersteinstufung aufgrund des Alters entgegensteht.
Ab September 2006, so führte das BVerwG weiter aus, sei dann das Besoldungsrecht des Freistaates Sachsen in der Fassung von 2013 rückwirkend maßgeblich. Zwar bewirke deren Überleitungsregelung eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, weil sie regle, dass sich die Neuzuordnung am früheren diskriminierenden System orientiere. Das aber sei aufgrund der administrativen Schwierigkeiten solcher Übergangsregelungen gerechtfertigt.
Das BVerfG sollte nun klären, ob die vom Sächsischen Gesetzgeber erlassenen rückwirkenden Regelungen mit der Verfassung im Einklang stehen. Denn ein für die Vergangenheit geltendes Gesetz, welches eine belastende Änderung bewirkt, bedarf besonderer Rechtfertigung.
BVerfG: Schon keine belastende Wirkung
Die Verfassungsbeschwerde scheitere aber bereits an dem Fehler einer belastenden Wirkung, so die Verfassungsrichter in ihrem Beschluss. Die rückwirkende Geltung der angegriffenen Regelungen schaffe ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem. Selbst bei isolierter Betrachtung der Überleitungsregelung sei keine nachteilige Auswirkung feststellbar. Auch sei dem Beschwerdeführer nicht rückwirkend ein Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden. Der Gesetzgeber dürfe im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten frei wählen, wie er die Folgen eines altersdiskriminierenden Systems beseitige.
Die Stichtags- und Überleitungsregelung verstoße, anders als vom Beamten gerügt, nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder gegen die Grundsätze der Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG. Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfe der Gesetzgeber Stichtage einführen, selbst wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe, so Karlsruhe. Insofern habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum.
Schließlich verstoße das Urteil aus Leipzig selbst nicht gegen Verfassungsrecht. Es liege kein Verstoß gegen das Verbot objektiver Willkür, das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebe, vor. Der Beamte hatte sich mit diesem Vorwurf an das BVerfG gewandt, weil die Leipziger Richter ihm lediglich 50 Euro für eine Monatshälfte zugesprochen hatten. Hinsichtlich der Höhe sah er sich in seinen Grundrechten verletzt. Doch das BVerwG habe die Maßstäbe dieser Entscheidung in seinem Urteil aufgezeigt und auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Bemessung eines Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG verwiesen.
una/LTO-Redaktion
BVerfG bestätigt Sächsisches Besoldungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 17.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17560 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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